Christine Nöstlingers Auftritt mit Jasmin „vun da Vira-Schdiagn“

Christine Nöstlingers Auftritt mit Jasmin „vun da Vira-Schdiagn“
Ihren letzten Gedichten sind veröffentliucht worden.: „Ned, dasi ned gean do warat“ heißt das Buch.

Zornig war sie nicht mehr. Christine Nöstlinger resignierte.
In den Interviews, die sie in den Monaten vor ihrem Tod  gegeben hatte, erzählte sie von ihrer einstigen Hoffnung, die Welt werde immer ein bisschen besser, ein bisschen gerechter werden – und jetzt sei alles futsch.
Nie hätte sie gedacht, dass an ihrem Ende Österreich so aussehen würde.
Besonders Hellhörige werden sie lachen gehört haben, ihr spitzbübisches Lachen, als auch  jene Menschen, die von Christine Nöstlinger dafür verantwortlich gemacht wurden, in höchsten Tönen von ihr, der „Linken“ aus dem Gemeindebau, schwärmten.
Ihre letzten Dialektgedichte: Es sind nicht viele, nur 22, die diese Woche erschienen sind. Zum Teil wurden sie bei der Wiener Festwocheneröffnung 2018 vorgetragen –  von Ursula Strauss und Gerald Votava, die in der Verfilmung von Nöstlingers autobiografischem Roman „Maikäfer flieg“ Mutter und Vater der achtjährigen Christine gespielt hatten.
Votava schrieb jetzt das Nachwort. Michael Köhlmeier schrieb das Vorwort. Er charakterisiert Nöstlinger als große Erzählerin, weil man in ihren rund 150 Büchern das Gefühl hat, „dass sie uns an der Hand nimmt und in ein Land führt, in dem es nur zwei Menschen gibt, sie und mich.“

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Ihre späten Gedichte: Es sind nicht die allerbesten,  wuchtigsten, schmerzhaftesten. Das wird vielleicht der Grund gewesen sein, warum Christine Nöstlinger nichts unternommen hatte, um daraus ein Buch zu machen.
Überraschend ist jedenfalls, dass sie mehr als 30 Jahre nach ihren   vergriffen gewesenen berühmten drei Bänden zurück zur Lyrik im Dialekt fand.
Gesammelt unter dem Titel „iba de gaunz oamen Leit“  sind die Klassiker vom Residenz Verlag lieferbar.
Der liebevolle Umgang mit Menschen, denen es hint und vuan ned zsamgeht, ist  Beweis, wie gut sie die Menschen kannte.
Den „Geiga-Gotti“, der den Sprung vom ganz oamen Kind problemlos zum gaunz oamen Mann geschafft hat, hätte man gern eingeladen.
Die letzten  22 Gedichte: Man sollte sie laut vorlesen, auch sich selbst. Dann tut man sich leichter.
Denn jetzt kommt die Jasmin vun da Vira-Schidagn dazu, die mit der rosa Beruckn.
(Diverse Wiener Dialektwörterbücher hat Nöstlinger nicht verwendet. Sie redete, wie sie’s um 1942 in der Volksschule gelernt  hatte – und genauso schrieb sie es auf.)
Und der Meia hat seinen Auftritt, wenn er sein Goidfisch launge Reden hält ibad Besn und ibad Bledn.
Und die Mari ruft nach ihrem wegagrendn Kazl, das macht sie aber schon seit 30 Jahren, weil die Mari nicht mehr weiß, dass die Zeit vergeht ...
Und Christine Nöstlinger dichtet, sie kennt sich ned wiaglich aus auf da Wöd, darum stellt sie de Denkarei ei.
Schade.
Unendlich schade.


Christine Nöstlinger:
Ned, dasi ned
gean do warat“
Illustriert von Barbara Waldschütz.
Residenz Verlag.
96 Seiten.
18 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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