Christine Nöstlinger: Die Widerspenstige ist nicht mehr

Christine Nöstlinger (1936 – 2018) auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2016.
Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger starb mit 81 Jahren. Sie hinterlässt mehr als 100 Werke. Ein Nachruf.

Das Aufmüpfige blieb ihr Lebensmotto: Die Kinderbuchautorin Christine (1936 - 2018) war kein besonders harmoniebedürftiger Mensch. Die Geschichten, die sie entwarf (mit „Die feuerrote Friederike“ gelang ihr 1970 der Durchbruch) handelten stets von widerspenstigen Figuren. Die gebürtige Hernalserin verfasste über 100 Werke, die Generationen von Kindern begleiteten. Und es war nicht die heile Welt, die sie skizzierte, sondern anspruchsvolle Literatur für junge Menschen. Und die liebten sie dafür.

Ihr Werk reichte weit über das Genre hinaus und umfasst realistische Milieuschilderungen, Sozialkritik und lag auch sprachlich dort, wo Identität gebildet wird: Im Dialekt. (Bisweilen sagt man auch Slang dazu.)

Nöstlinger schrieb über wasserscheue Drachen, den grantigen Gurkenkönig, über Franz, der aussieht wie ein Mädchen, oder eben Friederike mit den feuerroten Haaren, ein Hit, der der damals als Hausfrau eher fehlbesetzten Nöstlinger die weitere Karriere erst ermöglichte.

Wer ihre Bücher las, musste sich eine weiche Dame vorstellen, deren Herz für die Kleinen in der Gesellschaft schlägt. Weit gefehlt: „Speziell kinderlieb“ sei sie nicht, erklärte Nöstlinger einmal trocken. Und die Rolle der Sanften war nie die ihre. Mit markigen Wortmeldungen schuf sie sich einen Ruf als ruppiges „Gewissen“ des Landes, eine Zuschreibung, die ihr kokette Ungläubigkeit entlockte: „Vor vierzig Jahren hab’ ich als unmoralische Instanz gegolten, wegen dem, wie ich Kinder agieren lasse, wie ich sie reden lasse. Ich hab’ mir nie über meine Kritiker allzu sehr den Kopf zerbrochen“, sagte Nöstlinger im Vorjahr dem KURIER.

Weggerückt

Das Schreiben war damals wegen zunehmender körperlicher Probleme schon beschwerlich, aber viel wichtiger wog wohl: Nöstlinger war von der Lebenswelt künftiger Objekte ihrer Bücher weggerückt. „Wenn ich Kinder beobachte, die ich kenn’, in meiner Umgebung, dass zumindest aus dem Milieu, aus dem ich Kinder kennenlerne, dass die nicht einmal mehr wirklich spielen können. Die spielen nur Geschichten nach“, konstatierte sie skeptisch.

Ihre eigene Kindheit war wenig beschaulich – Nöstlinger erlebte den Zweiten Weltkrieg im Bombenkeller.

Politisch geprägt war die Sozialdemokratin von ihrer Familie – die Mutter verheizte noch unter dem NS-Regime ein Buch über Hitler vor ihren Augen im Ofen, erzählte die Autorin später.

Auch hier setzte eine leichte Entfremdung ein: „Wo ich immer hör, ein Streit zwischen den Linken und den Rechten. Ich frag alle meine Freunde, die in der SPÖ sind: Wer sind denn die Linken? Ich krieg keine Antwort drauf.“

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