„Wir hatten bis jetzt keinen einzigen Ansteckungsfall“, betont Ferlesch. Dabei gilt gerade das Chorsingen seit Ausbruch des Corona-Virus als „Hochrisikosport“. „Jahrzehntelang hat man uns erklärt, wie entscheidend das gemeinsame Musizieren und vor allem das Singen für das menschliche Dasein ist. Es ist wichtig für den motorischen, den intellektuellen und den emotionalen Bereich“, sagt Ferlesch und kommt auf die Amateur-Chöre zu sprechen, die derzeit überhaupt nicht proben dürfen. Er kennt die Situation der Singverbände in Österreich genau. Seit 1998 steht er der Singakademie vor.
Mit einem Team von Experten erarbeitete er bereits während des ersten Lockdowns ein Sicherheitskonzept. Das stützt sich vor allem auf drei Maßnahmen: Testen, das Tragen von FFP2-Masken – auch beim Singen! – und Abstandhalten.
Im Konzerthaus wird die Luft mehrmals in der Stunde erneuert. Wer kein Umluftsystem hat, müsse regelmäßig lüften, „30 Minuten singen, dann 15 Minuten lüften“, führt er aus. Und nach der Probe müsse sich der Chor sofort trennen „Nur unter Einhaltung aller Maßnahmen ist das Risiko zu minimieren“, betont er.
Singen mit FFP-2 Masken? „Ich konnte mir das zunächst auch nicht vorstellen. Aber was wäre die Alternative? Gar nicht singen“, sagt Ferlesch und betont: „Die Maske ist unerlässlich.“ Seinen Schützlingen erklärte er das so: „Nehmen wir die Maske nicht als Fremdkörper an, sondern als Teil, der zu uns gehört“.
Wie das klingt, konnte der KURIER bei einer Probe überprüfen. Ferlesch bereitet das Programm für ein Konzert mit Werken von Brahms, Renaldo Hahn und Mahler vor. Doch zuvor ging’s in die Teststation, die professionell von einer Apothekerin im Pausenfoyer eingerichtet wurde.
Im Saal haben die Sängerinnen und Sänger bereits ihre Plätze mit großen Abständen eingenommen. Jede und jeder ist tatsächlich maskiert. Auch Korrepetitor István Mátyás und der Chorleiter selbst. Schon bei den ersten Takten von einem der Lieder von Brahms’ „Gedenk- und Festtagssprüchen“ lässt die Wortdeutlichkeit aufmerken. Was dann folgt, ist so bewegend, so schön. „S’il est vrai, Chloris“, singen die Herren in warmen, weichen Tönen, die Damen stimmen ein, die Bässe breiten einen vibrierenden Klangteppich.
Da gäbe es doch nichts, was gegen ein Konzert vor Live-Publikum spräche? „Wenn auch das Publikum Masken trägt, getestet ist und in Abständen platziert ist, so ist es mit der im Konzerthaus perfekt funktionierenden Klimaanlage unverständlich, warum nicht auch vor Publikum musiziert werden kann“, sagt Ferlesch. „Laut einer Studie, die das Fraunhofer Institut für das Konzerthaus in Dortmund durchgeführt hat, kann die Ansteckungsgefahr in Konzertsälen nahezu ausgeschlossen werden.“
In weniger gut ausgestatteten Lokalitäten seien Veranstaltungen derzeit kaum möglich, räumt er ein. „Aber Österreich kennt man vor allem durch zwei Dinge, Kultur und Sport. In der Hauptstadt dieser Kulturnation müsste es doch möglich sein, dass Häuser wie die Wiener Staatsoper, der Musikverein, das Konzerthaus, also alle, die über ein nach oben absaugendes Umluftsystem verfügen, den Betrieb aufnehmen können. Warum das nicht erlaubt wird, ist schon seltsam“, sagt er und wendet er sich wieder Wesentlichem zu, seiner Probe. Denn irgendwann gibt es wieder Konzerte.
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