Charlize Theron: Weibliche Konkurrenz für Bond

In "Atomic Blonde" spielt die Südafrikanerin eine Agentin im Kalten Krieg.

Wer braucht noch einen James Bond, wenn die Waffen einer Frau offenbar viel stärker sind? Eine weibliche Spionin, die nach den gleichen Regeln und Bedingungen ihrer männlichen Kollegen spielt – das war es, was Charlize Theron gesucht hat. Das Ergebnis dieser Suche ist der Film "Atomic Blonde". Theron spielt Lorraine Broughton, eine MI6-Agentin, die kurz vor dem Mauerfall in Berlin einen skrupellosen Ring aus Spionen und Doppelspionen unschädlich machen soll.

Eigenwillig und stark war Charlize Theron immer schon – vor allem in ihrer Rollenwahl. 2004 wurde sie als Serienmörderin im Film "Monster" mit einem Oscar ausgezeichnet, und auch sonst läuft es für sie beruflich bestens. Mit Filmen wie "Prometheus – Dunkle Zeichen", oder "Mad Max: Fury Road" hat sie es in Hollywood nach ganz oben geschafft. Es gibt Filmstars, die im wahren Leben auf Normalgröße zusammenschrumpfen. Nicht so Charlize Theron. Als sie zum Interview erscheint, wirkt sie definitiv auch im wirklichen Leben "bigger than life", wie man im Filmjargon sagt: Größer als das Leben – im Leder-Minirock und perfekten langen Beinen.

KURIER: Wie wichtig war es Ihnen, dass Sie mit diesem Film nicht nur das Action-Genre bedienen, sondern auch den politischen Hintergrund der Geschichte herausarbeiten?

Charlize Theron: Der Film basiert auf einer "graphic novel", einer Bildergeschichte, von der wir aber in unserem Film sehr abweichen. Vor allem was meine Figur betrifft! Ich wollte aus dieser simplen Genre-Story eine komplexe Metapher für unsere Zeit entwickeln. Der Spionage-Thriller war dafür nur die Basis. Ich mag dieses Genre, aber es langweilt mich, wenn die Agenten immer im gleichen Trenchcoat oder Smoking daherkommen. Eine Frau als Spionin ist viel mysteriöser. Das damalige Ostberlin war ein richtiger Hotspot, mit einer sehr aktiven kritischen Kulturszene. Dieses Berliner Lebensgefühl und die Farben von damals wollen wir in unserem Film vermitteln.

Beim Fall der Berliner Mauer waren Sie noch ein Kind. War das auch in Südafrika ein Thema, können Sie sich erinnern?

Ich bin ein Kind der 80er-Jahre. Und dieser Film hat in mir viele Erinnerungen wieder wach werden lassen. Vor allem der Soundtrack! Für mich war es geradezu ein Schock zu erfahren, dass einige der Songs, die ich als Kind so gerne nachgeträllert habe, als Protest gegen den Kalten Krieg entstanden sind.

Welche dieser Lieder sind Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben?

Nena! Ich war acht oder neun Jahre alt, als ich ihren Song "99 Luftballons" zum ersten Mal gehört habe. Dieses Lied habe ich geliebt!

Erinnern Sie sich noch, ob und wie damals Ihre Familie auf den Fall der Berliner Mauer reagiert hat?

Ich erinnere mich an eine sehr laute Unterhaltung. Man hat in Südafrika überhaupt sehr großen Anteil an diesen Ereignissen genommen. Gerade in Südafrika war durch die Apartheid die Idee von einer geteilten Stadt mit großen Emotionen verbunden. Überhaupt diese Idee, Menschen in Kategorien und politische Systeme zu teilen. Ob nun durch eine Mauer zwischen Ost- und West-Berlin, oder durch den Hinweis "Nur für Weiße" auf öffentlichen Toiletten. Die unmenschliche Haltung, die hinter solchen Aktionen steckt, ist immer die gleiche. Ich bin in einer Atmosphäre solcher politischen Ungerechtigkeiten aufgewachsen.

Am Beginn Ihrer Karriere stand ein Ticket nach Los Angeles, bei dem Sie keine Rückreise gebucht hatten. War Ihnen damals schon klar, dass Sie einmal James Bond Konkurrenz machen würden?

Ja! (lacht) Ehrlich gesagt: Mein Traum war es, dass ich einmal meinen Lebensunterhalt als Schauspielerin verdienen könnte. Denn eigentlich hatte ich erwartet, dass ich als Kellnerin und in allen möglichen Jobs arbeiten müsste, um mir überhaupt ein Dach über den Kopf leisten zu können.

Haben Sie auch geträumt, einmal einem Oscar zu gewinnen?

Nein, das kam mir eher grotesk vor. Ich komme aus einer Familie, in der Bescheidenheit und Dankbarkeit zu den größten Tugenden zählte. Meine Mutter hat mir immer wieder eingeschärft, nie zu erwarten, dass mir etwas auf dem Silbertablett serviert würde. Die Welt wäre viel trauriger, wenn man für jede Tat eine Belohnung erwarten würde. Heute bin ich froh, dass sie mir so viel Disziplin beigebracht hat!

Sie haben bei den Action-Szenen in "Atomic Blonde" eine Reihe von blauen Flecken und Hautabschürfungen einstecken müssen. Steckt hinter Ihrem Totaleinsatz auch die feministische Ambition, zu zeigen, dass Frauen die gleiche Durchschlagskraft haben wie Männer?

Ich habe mich früher selbst nie als Feministin gesehen. Bei dem Wort kamen mir eher BH-verbrennende Männerhasserinnen in den Sinn (lacht). Aber ich bin unter der Apartheid aufgewachsen und habe gesehen, was es heißt, wenn eine Person in der Gesellschaft weniger wert ist als die andere. Bloß wegen ihrer Hautfarbe oder eben ihres Geschlechts. Und weil wir gerade über Ungleichheit und Ungerechtigkeit sprechen – es gibt da noch einen Punkt, der mich heute immer mehr ärgert: Wir leben in einer Gesellschaft, in der man behauptet, dass Frauen mit zunehmendem Alter verwelken, während Männer angeblich wie guter Wein immer besser werden. Und wir Frauen akzeptieren das auch noch. Ich bin in meinen Vierzigern viel glücklicher als in meinen Zwanzigern. Als Schauspielerin habe ich mehr Möglichkeiten als je zuvor, und ich glaube, dass Hollywood realisiert hat, dass Schauspielerinnen mit 40 nicht tot sind.

Gab und gibt es in Ihrem Leben starke Frauen, die Sie als Vorbild nehmen?

Ich hatte das Glück, immer schon von starken Frauen umgeben zu sein. Als Kind hatte ich eine sehr enge Beziehung zu meiner Mutter. Sie inspiriert mich bis heute.

Auch in der Erziehung Ihrer eigenen Kinder?

Ich habe mich in die beiden Adoptionen voll hineingeworfen, weil ich davon überzeugt bin, das Talent zu einer guten Mutter zu haben. Ich will meinen Kindern all die Liebe und Aufmerksamkeit schenken, die sie brauchen. Niemand strebt an, Alleinerzieherin zu sein, aber ich habe mich der Situation angepasst.

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