Deshalb veröffentlicht die als Charlyn Marschall geborene Amerikanerin am morgigen Freitag ihr Livealbum „Cat Power sings Bob Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert“. Dafür hat sie das legendäre Konzert von Bob Dylan von 1966, bei dem er in der Mitte des Sets vom akustischen Folk-Set-Up auf elektrische Gitarren umstieg und damit die Inhalte von politischen Folk-Songs in die Rock-Musik brachte, von Anfang bis Ende nachgespielt.
Die Idee dafür kam der 51-Jährigen, als ihr voriges Jahr angeboten wurde, in der Royal-Albert-Hall in London aufzutreten. Zwar fand dieses denkwürdige Dylan-Konzert 1966 in der Free Trade Hall in Manchester statt, aufgrund eines falsch bezeichneten Bootlegs (Anm: illegal gepresste Platte, meist von Konzerten) wurde es aber unter „Royal Albert Hall Concert“ bekannt.
Dieses Bootleg kannte Power zwar nicht gut. Aber sie kannte jeden Song auswendig, den Dylan dabei gespielt hatte. Sei es „Mr. Tambourine Man“, „Desolation Row“ oder „Tell Me, Momma“, bei dem Power – genau wie Dylan anno dazumal – von reduzierten, rein akustischen Sounds auf elektrische umstieg.
Denn das war für Power das Wichtigste an diesem Dylan-Konzert. „Für mich waren Bob Dylans Songs immer wie eine Tageszeitung, die über all die Spannungen der Zeit, den Rassismus und die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung sprachen“, erzählt sie im Interview mit dem KURIER. „Damit, dass er als Star der Folk-Szene mitten im Set auf eine Rockband umstieg, hat er es möglich gemacht, dass sich politische und soziale Protest-Songs auch in der Rockszene etablieren konnten, wo sie ein viel breiteres Publikum erreichten. Gleichzeitig hat er damit viele Leute vor den Kopf gestoßen, die zufrieden mit dem Status quo einer Welt waren, die ganz dringend Veränderung gebraucht hat.“
Weil diese Veränderungen damals zwar in Gang kamen, aber immer noch viel im Argen liegt, engagiert sich Power auf ihren Social-Media-Kanälen regelmäßig für Gerechtigkeit und Chancengleichheit und gegen Rassismus.
Das, sagt sie, sei ihr in die Wiege gelegt worden: „Ich bin in Atlanta nur drei Blocks entfernt von jenem Haus aufgewachsen, in dem Dr. Martin Luther King geboren worden war. Meine Eltern waren beide Musiker und wenig zu Hause. Ich war deshalb oft im Apartment gegenüber bei Patrick Kelly, einem afroamerikanischen Modedesigner, der auf mich aufgepasst hat und wie ein Vater für mich war. Auch die Bands meiner Eltern bestanden aus Schwarzen. Ich habe also immer in einem sehr facettenreichen Umfeld gelebt. Aber es war eben im Süden der USA, wo Rassismus immer stark ausgeprägt war. Deshalb habe ich auch immer schon gewusst, wie bösartig manche Leute sind.“
Traurig
Ein Vorfall ist Power dabei besonders in Erinnerung geblieben: „Es war mein erster Schultag und der meiner besten Freundin aus dem Kindergarten. Sie war Afroamerikanerin, und ich kann mich noch so gut daran erinnern, wie sie am Fuß des Hügels vor der Schule stand, umringt von all diesen weißen Kindern, die zusammen in einen anderen Kindergarten gegangen waren. Sie beschimpften meine Freundin mit diesem Wort, das mit N beginnt, das ich nie zuvor gehört hatte. Ich habe mich in den Kreis gezwängt, sie umarmt und rausgeführt. Mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich daran denke.“
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