Camille Henrots erotisches Jiu-Jitsu

Camille Henrot, Tuesday (Video Still), 2017 Camille Henrot, Tuesday (Video Still), 2017, Courtesy kamel mennour, Paris/London; König Galerie, Berlin; Metro Pictures, New York
Die Schau der Aufsteiger-Künstlerin in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz zwängt fahle Ideen in ein akademisches Bezugssystem.

Der Soundtrack kann eigentlich nur ein schlechter Scherz sein: Ein Schlafzimmer-Beat, hin und wieder Geraune und Gestöhne – in der Popmusik sagt man „Slow Jam“ dazu, im Volksmund Softporno-Musik. In der Kunsthalle am Karlsplatz soll diese Klangkulisse aber allen Ernstes die erotische Hintergründigkeit eines Jiu-Jitsu-Kampfs suggerieren. Zumindest sieht es so aus, als wäre das tatsächlich Camille Henrots Absicht.

Die französische Künstlerin, Jahrgang 1978, ist seit geraumer Zeit auf den angesagten Kunst-Events der Welt präsent, die Videoinstallation „Grosse Fatigue“ (dt. etwa „Große Ermüdung“), auf der Venedig-Biennale 2013 mit einem Silberlöwen prämiert, gab den Karriere-Startschuss. Für ihr Wien-Debüt mit dem Titel „ If Wishes Were Horses“ (bis 28.5.) konnte die Kunsthalle Henrot dazu bewegen, eine neue Werkgruppe zu schaffen – doch mehr als eine lose Ideenkette, die sich krampfhaft ihrer Kunsthaftigkeit versichern will, ist nicht herausgekommen.


Kunst! Sex! Kampf!

Die JiuJitsu-Kämpfe sind ein zentrales Motiv der Schau – in einem rund 20-minütigen, wie erwähnt letztklassig vertonten Video sind die Bilder mit Aufnahmen von Pferden zusammenmontiert – alles in Zeitlupe,hyper-ästhetisiert, denn es geht ja um Kunst, aber auch um Sex.

Camille Henrots erotisches Jiu-Jitsu
Installationsansicht: Camille Henrot. If Wishes Were Horses, Kunsthalle Wien 2017, Foto: Jorit Aust: Camille Henrot, Tug of War, 2017, Courtesy König Galerie, Berlin; kamel mennour, Paris/London; Metro Pictures, New York
„Sex ist eine Schlacht, Liebe ist Krieg“, sangen zwar auch schon Rammstein, aber da man im Kunstkontext damit nicht so gut durchkommt, geht es Henrot verschraubter an: Ausgehend vom Video ließ sie den ganzen Raum mit Turnmatten auslegen, wie sie auch im Kampfsportzentrum zu finden sind, dazu schuf sie eine Skulptur mit einem Boxsack und einen riesigen Zopf aus Ketten und Kabeln, der den Saal durchzieht.

Tauziehen

Als Symbol soll der Zopf auf die Kräftemess-Disziplin des Tauziehens verweisen, zugleich auf die Zopffrisuren von Kampfsportlerinnen und die Art und Weise, wie Pferdemähnen gebändigt werden: Auch dieses Flechtwerk ist im besagten Video zu sehen. Dass das Zopfabschneiden wiederum ein verbreiteter Fetisch ist, entnimmt man dem Beiheft, in dem sich u. a. Theoretiker Gilles Deleuze dazu äußert. Nichts an diesem Assoziations-Potpourri ist irgendwie zwingend, zwänglerisch wirkt vielmehr die Art und Weise, in der sich Henrot darum bemüht, dem Gezeigten intellektuell-akademische Legitimation zu verleihen.

Wer aber mit schalen Bildern nur Achselzucken produziert und nicht die Sorgfalt aufbringt, Musik jenseits plumper Klischeetöne auszuwählen, dem kann auch kein Foucault- und Deleuze-Zitat der Welt mehr helfen: Enttäuschend.

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