Burgtheater: Knalleffekt bei „Macbeth“

Burgtheater: Knalleffekt bei „Macbeth“
Antú Romero Nunes inszenierte Shakespeares „Macbeth“, reduziert aufs Gerüst, als bittere Parabel.

Vor knapp zehn Jahren war „Macbeth“ im Akademietheater zu sehen. Martin Zehetgruber hatte ein Spiegelkabinett errichtet, in dem sich das Publikum erkennen konnte, der Boden wurde geflutet, Macbeth, der Mörder, entwickelte einen irren Waschzwang, und man trug modische Anzüge mit goldenen Cowboyhüten: Stephan Kimmigs Inszenierung war eine Abrechnung mit Bush junior; die Machtübernahme von Malcolm bedeutete den Beginn einer neuen Zeitrechnung. Doch nun, ein Jahrzehnt später, ist auch Barack Obama längst Geschichte.

Die schottische Tragödie von William Shakespeare hingegen überlebt alle Herrscher. Antú Romero Nunes, der in der letzten Saison die „Orestie“ stemmte, versagt sich daher jedem aktuellen Bezug. Mit nur drei – fulminanten – Darstellern, die einem dystopischen Horrorschocker entsprungen sein könnten, erzählt er im Burgtheater die Geschichte des erfolgreichen Feldherren Macbeth, der, von seiner Frau massiv unter Druck gesetzt, die Macht an sich reißt.

Doch, wie schon bei der „Orestie“: Nunes verweigert das Fabulieren. Er hat das Stück radikal eingekürzt, für manche vielleicht zu radikal. Beeindruckend ist die Produktion, die am Freitag Premiere hatte, dennoch – aufgrund der geradezu verstörend brutalen Aussagen.

Die Burg ist die Burg

Bühnenbildner Stéphane Laimé hat das Seine dazu beigetragen. Wenn das Stück schon in einer „schön gelegenen Burg“ spielt – warum dann nicht gleich die Burg hernehmen? Wie bei der Dramatisierung von „Robinson Crusoe“ stellt Laimé den Zuschauerraum ins Zentrum – und auch er arbeitet mit einer Spiegelung: Er ließ den Mittelbalkon täuschend echt auf der Bühne nachbauen. Der Saal, der zunächst und zumeist nicht abgedunkelt wird, schließt sich nun zum Kreis: Er bezieht das Publikum mit ins Geschehen ein.

Zaundürre Gestalten

Zu Beginn rennen Mädchen in weißen Nachthemden schreiend durch den Gang hinter der offenen Saaltür. Kinderaugen fürchten, wie Lady Macbeth später ihrem Mann erklären wird, gemalte Teufel. Das Schreien hebt immer wieder an, das Flüchten will kein Ende nehmen. Man muss auflachen; allerdings zum ersten und letzten Mal. Denn gleich darauf weissagen drei Hexen, über dem Pentagramm am Boden zum Kreis formiert, dass Macbeth König werde. Sie sehen, von Victoria Behr hergerichtet, echt eklig aus: zaundürre Gestalten, bleich geschminkt mit tiefen Augenhöhlen, die Blutbahnen und Knochen schimmern durch, über der hohen Stirn sind die langen Haare längst ausgefallen.

Mit ein, zwei Handgriffen verwandeln sich diese dämonischen Hexen in die bestimmenden Figuren. Merlin Sandmeyer irrlichtert im Pluderhöschen als degenerierter Duncan herum, eine Papierkrone auf dem Kopf. Ole Lagerpusch warnt als Macbeth die Lady, seine schwarzen Wünsche nicht ans Licht zu bringen. Doch Christiane von Poelnitz umfasst ihn von hinten schlangenartig mit ihren Armen: Er solle werden, was ihm versprochen.

Die Szene nach der Ermordung von Duncan lässt Nunes zwei Mal spielen: Zunächst stimmt die Lady in das Hecheln ihres Mannes ein; der Blutrausch hat eine orgiastisch-erotische Komponente. In der Wiederholung dringen aus dem blutüberströmten Macbeth teuflische Laute. In beiden Fällen aber dominiert die eiskalte Lady, kommt der Mörder mit der feigen Tat nicht klar: Ihn plagen ärgste Gewissensbisse, er wird wegen seines „schwachen Willens“ mit verächtlichen Blicken bestraft. Doch um an der Macht zu bleiben, braucht es weitere Untaten. Freund Banquo – Sandmeyer hastet durch Nebelfelder – ist das nächste Opfer. Und mit dem Selbstmord der alles und alle besudelnden Lady ist Schluss. Nach der Erkenntnis „Blut will Blut“ verweigert Ole Lagerpusch das Spiel: Er reißt sich die Perücke vom Kopf – und alle Mauern ein. Ein Knalleffekt.

"Macbeth" - zeitlose Tragödie:  Macht,  Gier und Wahnsinn  In „Macbeth“, um das Jahr 1606 entstanden,  erzählt Shakespeare den   Aufstieg des  schottischen Heerführers  Macbeth zum Tyrannen, der seine Macht mit aller Gewalt verteidigt – und den Mord am König anderen in die Schuhe schiebt. Wer sich allerdings ein mittelalterliches „House of Cards“ erwartet, wird von der Burgtheater-Produktion  enttäuscht sein: Regisseur Antú Romero Nunes hat die Tragödie auf eine Parabel über Macht, Gier und Wahnsinn reduziert. Er setzt auf eindringliche Bilder und Figurenkonstellationen. Die  Aufführung endet nach nur 90  pausenlosen Minuten spektakulär.

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