Man soll es vortäuschen, bis man es geschafft hat, heißt es – griffiger – in Bezug auf das Berufsleben im Englischen. Manche nur kommen aus dem Vortäuschen dann halt nicht mehr raus, sie steigen immer weiter auf und landen in einem dieser absurden Jobs, in denen man Menschen und Millionen verschiebt und Menschen benützt und Millionen verdient. Und können dann nicht mehr anders als weiter so zu tun, bis ihnen der Boden unter den Füßen wegbricht.
Deshalb ist das Spitzenmanagement immer ein dankbarer Stoff für das Theater: Man schöpft hier aus einem Stegreifimprovisationstheater der Vortäuschenden, die selbst wissen, dass sie Hochstapler sind, und da ist alles drin, Tragik und Dramatik und Farce und Komödie.
Der neue BurgtheaterchefStefan Bachmann nähert sich dem allen mit sarkastischem Drive: „Johann Holtrop“ nach einem Roman von Rainald Goetz, ein Mitbringsel aus Köln und die erste eigene Regie, die Bachmann am Burgtheater zeigt, ist eine flotte, abstrakte Theaterfarce mit Musik, die die Ungeeigneten an der Wirtschaftsspitze zur Kenntlichkeit entstellt: Wenn es läuft, war man es selbst, wenn es nicht läuft, waren es immer alle anderen, singt die deutsche Band Großstadtgeflüster ja zu Recht.
Unzählige Fäden hängen auf der (sonst noch in der Sommerpause verharrenden) Burgtheaterbühne von der Decke herab bis zum Boden; schließlich geht es ja um die Seilschaften und die Strippenzieher. Holtrop (gespielt von Bachmanns Frau Melanie Kretschmann) geht beim Optimieren über Leichen: Die Wirtschaft ist ein Spiel, bei dem nur die anderen für den Einsatz aufkommen müssen. Mit 40 Millionen, heißt es, macht man ja wirklich keine großen Sprünge.
Die Story von Holtrops skrupellosem Aufstieg (und, klar, Fall) wird auf ungewöhnliche Weise erzählt: Das Ensemble (Nicola Gründel, Anja Lais, Rebecca Lindauer, Lea Ruckpaul, Luana Velis, Cennet Rüya Voß und Ines Marie Westernströer) schlüpft in verschiedene Rollen – und bietet die Dramödie aus der Vorstandsetage meist in einer Art hoch artifiziellen, mitreißenden Sprechgesangs dar, oftmals chorisch, geprägt von wundersam langen Sätzen, die sich über die Livemusik ausbreiten und auf durchaus beglückende Art immer zu einem Ende finden.
Und weil die Wirtschaftswelt nur läuft, wenn die allergrößten Gesten geglaubt werden, verrenken sich die Schauspielerinnen – zu Ermannungsgesten des Aufschwungs, zu Unterwerfungsposen, zum knieweichen Dahinschmelzen vor der Macht und dem Reichtum. Hin und wieder tänzelt man zum Beat des Stellenabbaus: Tanz den Manager-Größenwahn. Das Ganze sieht oftmals aus wie die abstrakte Kunst, die sich die Firmen so gern in den Gang zum Chef hängen.
Auch wenn am Schluss große Zustimmung aus dem Publikum kommt – dieses plakative Nicht-Spielen gefällt nicht allen. Nach 30 Minuten nehmen die ersten Reißaus, es folgen weitere.
Dackel der Wall Street
Holtrop strudelt sich durch die schwierigen Nullerjahre; dass hier Gerhard Schröder und Angela Merkel auftauchen, mottet das Spiel vom Schoßhund der Wall Street aus der deutschen Provinz unnötig ein, zeugt von einer unangenehmen Langsamkeit des Theaters. Man müsse die Reichen zusammenbringen, der erhöhe ihre Gier, heißt es, und das stimmt, aber hat sich zuletzt so stark zugespitzt, dass man sich einen Holtrop von Heute wünschen würde.
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