Buntes, entspanntes Ohrenkino mit Dianne Reeves
Bitteschön, nur ja nicht die Nase rümpfen: Wenn Dianne Reeves Easy Listening zelebriert, dann mit Anspruch. Am Montag live im Wiener Konzerthaus mit den Songs ihres aktuellen Albums „Beautiful Life“ im Tournee-Gepäck.
In George Clooneys Film „Good Night & Good Luck“ spielte sie eine Jazzsängerin: „Das war eine großartige Gelegenheit, Songs der späten 40er- und frühen 50er-Jahre zu singen. Mehr noch: Es war ein Tribute an diese Künstler und an die Geschichte des Jazz.“ Und brachte ihr große Popularität.
Nach insgesamt vier Grammys, drei davon aufeinanderfolgend in den Jahren 2001 bis 2003, ist sie schon lange in der Oberliga der Jazz-Vokalistinnen angekommen – auf einer Ebene mit Billie Holiday und Ella Fitzgerald.
Nicht zu vergessen: Sarah Vaughan. „Als ich sie zum ersten Mal hörte, war ich beeindruckt von ihrem breiten Stimmspektrum und ihrem Ausdruck“, sagt Reeves. „Sie hat mich schließlich dazu gebracht, meinen eigenen Weg zu finden. Deshalb ist Sarah Vaughan auch so wichtig für mich.“
Soul-Jazz
Worum geht es Dianne Reeves als Künstlerin? „Gefühle auszudrücken“, ist die Antwort. Kurz und bündig. Nachsatz: „Und ehrlich soll das klingen, was ich singe. Das ist überhaupt das Allerwichtigste an der Musik: Ehrlichkeit.“
Neuerdings hat sie Song-material ihres Lieblingssängers Marvin Gaye im Repertoire: „Er hatte Soul, aber man hört bei ihm auch heraus, wie sehr seine Musik vom Jazz erfüllt war.“
Das geheimnisvolle „Dreams“, von Stevie Nicks für Fleetwood Mac geschrieben, hat Robert Glasper neu arrangiert. Reeves: „Er hat mich dabei am Klavier begleitet, aber vor allem aus dem Liebeslied etwas völlig Neues gemacht.“
Neben Nummern von Bob Marley („Waiting In Vain“), Esperanza Spalding („Wild Rose“) und Ani DiFranco („32 Flavors“) oder dem Klassiker „Stormy Weather“ interpretiert sie auch Eigenkompositionen wie „Tango“, instrumental gesungen, mit einer überraschenden „Mundtrompete“ von Raul Midón.
Neben Lalah Hathaway und Sean Jones als Gästen auf dem neuen Album bat sie zum Duett auch Gregory Porter, dessen mächtiger Blues-Bariton an Isaac Hayes und Barry White erinnert.
„Gregory ist einer der besten Sänger seit Generationen. Bei ihm stimmt einfach alles: die enorme Musikalität, die große Leidenschaft und die Fähigkeit, die Menschen emotional zu erreichen.“ Und woran glaubt die Jazz-Vokalistin? „An die Macht der Musik. Und an die Liebe, die Menschen verändern kann.“
Die Aufnahme von „Feels So Good (Lifted)“ war zugleich ein Abschied von ihrem am 5. August 2013 verstorbenen Cousin George Duke: „Er war ein erstaunlicher Künstler und Mensch. Er war ununterbrochen auf der Suche nach Lösungen und trieb die Dinge dauernd voran. Und genau darum geht es in dem Song. Wir haben uns oft darüber unterhalten, dass man sich die gute Laune nicht verderben lassen und dunkle Wolken nach Möglichkeit vertreiben soll.“
So suggeriert auch der Album-Titel „Beautiful Life“ Optimismus. Dass dem Leben trotz widriger Umstände und mancher Schicksalsschläge viel an Schönheit und Momenten des Glücks abzugewinnen ist.
Musik wie ein Blick in den Rückspiegel: „Beautiful Life“ (Concord/Universal). Nicht Retro pur. Sondern aus der Gegenwartsperspektive interpretiert. Ans Herz geht schon Dianne Reeves’ seelenvolle Interpretation von Marvin Gayes Klassiker „I Want You“.
Intensiv ihr Duett mit Gregory Porter „Satiated (Been Waiting)“. Ein eigener Song – „Cold“ – erzählt vom absoluten Nullpunkt am Ende einer Beziehung, in der es nur noch eines gibt: Gleichgültigkeit. Wenn sie dem Typen unmissverständlich sagt: „Ich bin nicht mehr böse auf dich. Ich wünsche dir alles Gute. Aber lass mich in Ruhe.“
„Feels So Good“ war die letzte Aufnahme mit ihrem Cousin, dem Pianisten, Keyboarder, Komponisten und Produzenten George Duke, bevor er im August starb. Der Sound klingt wie aus den 70er-Jahren. Und dabei zeigt sich wieder: Wie die Reeves populäre Themen aufnimmt und ihnen diese Jazzsensibilität gibt, ist eine Klasse für sich. Dianne Reeves besingt die Schönheit des Lebens. Wunderschön.
KURIER-Wertung:
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