Gute Zeiten für Entdecker

Gute Zeiten für Entdecker
Im ersten halben Jahr mangelt es an den großen Autorennamen – was spannend ist.

Der Titel lässt sich auch anders formulieren, nämlich so, dass bei Buchhändlern keine große Freude aufkommt:

Das erste halbe Literaturjahr 2014 ist nicht besonders reich an solchen Autorennamen, die hungrige Büchermenschen in die Geschäfte treiben.

Ja, es wird etwas Kleines von Daniel Glattauer geben, eine Komödie in der Ehe-Therapie; im Herbst wird er dann ordentlich zuschlagen. Es wird auch etwas Kleines von Christoph Ransmayr geben – Ansprachen als Form der Erzählkunst. Und Neues von John Grisham kommt.

Und ohne Martin Suter geht’s nicht (wenn’s auch bloß eine weitere Fingerübung mit seinem adeligen Herrn Allmen ist), ohne Donna Leon schon gar nicht: Brunettis Fall zweiundzwanzig „Das goldene Ei“ startet mit 200.000 Exemplaren.

Haruki Murakami ist heuer weniger geheimnisvoll. Sein neuer Roman startete in Japan mit einer Million verkaufter Bücher innerhalb von einer einzigen Woche!

Richard Yates schildert klassisch eine Ehe, Yasmina Reza ist gewiss nicht so banal, wie es der Titel „Glücklich die Glücklichen“ vermuten lässt. An der Supermarktkassa wird um die Wahl des „richtigen Käses gestritten... (Nähere Informationen über die Erscheinungstermine im Zusatz­bericht rechts)

Was beim ersten Durchblättern der vielen Verlagskataloge sonst noch auffällt:

Der Erste Weltkrieg

Auch in der Belletristik heuer ein großes Thema. Kiepenheuer & Witsch bringt die betreffenden Bücher Erich Maria Remarques neu heraus – und im April „Schlump“, den vergessenen Antikriegs-Klassiker aus 1928 von Hans Herbert Grimm.

Der Zsolnay Verlag hat „Der Thronfolger“ über Franz Ferdinand zum Wiederentdecken ausgegraben, einen fast 100 Jahre alten biografischer Roman.

Der Dörlemann Verlag präsentiert im Februar „Tobys Zimmer“: Booker-Preisträgerin Pat Barker über den Verlust eines geliebten Bruders. 1917 wurde Toby als „vermisst, vermutlich gefallen“ gemeldet – seine Schwester, eine Künstlerin, dokumentiert mit dem Zeichenstift die zerstörten Gesichter der Soldaten.

Jazz

Mehrere Romane wollen „Musik zum Lesen“ sein. Der New Yorker Nicholas Christopher z. B. fängt die drei Aufnahmen auf Edison-Zylindern des legendären Charles „Buddy“ Bolden ein; bald nach seiner Interpretation des „Tiger Rag“ 1904 ist er in die Nervenheilanstalt eingewiesen worden, die er nie mehr verlassen konnte.

Krimis

Die Flut der skandinavischen Krimis geht langsam zurück. Zaghaft wird wieder einmal entdeckt, dass Frankreich ein spannendes Land sein kann.

Der Münchner Verlag btb, der zu seinen Autoren Håkan Nesser zählt, setzt im März voll auf den Thriller „Totenfrau“ des Innsbruckers Bernhard Aichner. Man kennt Aichner vielleicht von seiner Max-Broll-Reihe, die 2010 bis 2012 im Tiroler Haymon Verlag erschienen ist. Für seine Serienmörderin (der man die Daumen drückt!) arbeitete er ein halbes Jahr in einem Bestattungsunternehmen mit.

Gedichte

Als 2013 in Frankreich Gedichte des äußerst populären und umstrittenen Michel Houellebecq veröffentlicht wurden, war man irritiert. Der Schwanengesang des 57-Jährigen?

In der Übersetzung wird der Band bei DuMont „Gestalt des Ufers“ heißen. Fürchten muss man sich nicht. Es sind einfache Gedichte über Liebe, Tod und Sex, manche sehr einfach – so in der Art: „Nichts im Leben lässt sich reparieren, nichts überlebt den Tod.“ Jawohl.

Da ist die Lyrik des Grazers Clemens J. Setz wahrscheinlich etwas überraschender: Der reimt sich etwas über den Bruder der kleinen Hexe Bibi Blocksberg zusammen.

Und geht der Frage nach, warum sich junge Frauen im 19. Jahrhundert in der Dunkelheit denn so gern spitze Nadeln in den Mund gesteckt haben.

Die Antwort gibt der Suhrkamp Verlag am 5. März.

Nichts sprießt, aber der Bücherfrühling 2014 beginnt im Jänner: Haruki Murakamis „Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki“ liegt am 10. in den Buchhandlungen. Am 15. Jänner folgt Rafael Chirbes’ „Am Ufer“, ab 16. kann man sich bei Kurt Palms „Bringt mir die Nudel von Gioachino Rossini“ fragen, ob das ein Spaghetti-Western ist.

Palm sagt Nein, aber das muss ja nicht stimmen.

Der starke Februar: Sieben Jahre nach „Gomorrha“ legt Roberto Saviano seine Reportage über den Kokainhandel vor („Zero Zero Zero“). Daniel Glattauer hat die Ehetherapie-Komödie „Die Wunderübung“ geschrieben, von Yasmina Reza erscheint „Glücklich die Glücklichen“, vom Minimalisten Antonio Fian überraschend der Roman „Polykrates-Syndrom“, Christoph Ransmayr hält in „Gerede“ Ansprachen ...

Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek ist im März wieder autobiografisch, er war Alkoholiker und arbeitete die Zeit in „Schluckspecht“ auf. Nobelpreisträgerin Toni Morrison erzählt vom amerikanischen Rassismus der 1950er-Jahre in „Heimkehr“. Margaret Atwood, die heuer 75 wird, löscht in „Die Geschichte von Zeb“ die Menschheit aus. Siri Hustvedt bringt die Essays „Leben, Denken, Schauen“. Von Richard Yates wurde „Eine strahlende Zukunft“ übersetzt. Heinrich Steinfest verwirrt hoffentlich in „Der Allesforscher“. Clemens J. Setz hat Gedichte geschrieben – Titel „Vogelstraußtrompete“. Martin Suter schickt seinen adeligen Ermittler in den vierten Fall, „Allmen und die verschwundene Maria“.

Im April kommt der Krimi von Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff. „Killmousky“ heißt er: Ein deutscher Kriminalhauptkommissar quittiert seinen Dienst und geht nach New York. Erich Hackl veröffentlicht „Drei tränenlose Geschichten“, die von Auschwitz und Dachau handeln. Martin Walker setzt seine Serie mit dem französischen Dorfgendarmen Bruno fort („Reiner Wein“).

Marlene Streeruwitz sieht in „Nachkommen“ die dunkle Seite der Liebe. Der Roman erscheint im Mai – wie „Ladivine“ von Marie NDiaye, eine Geschichte über drei Generationen. Im Juni ist Jazztime: „Tiger Rag“ von Nicholas Christopher spielt in New Orleans 1904, Held ist der Kornettisten Buddy Bolden. Neues von Isabel Allende („Amandas Suche) und von Stuart O’Nan („Die Chance“) bringt der Juli, für August wird das Romandebüt des Tenors Rolando Villazón angekündigt: Der erfolglose Clown Macolieta macht „Kunststücke“.

Bis Februar wird man warten müssen, ehe man aus dem Ratgeber „Überleben“ (Atrium Verlag) erfährt: So holt man eine zerbrochene Glühbirne aus der Fassung ... aha, mit einem Erdapfel.

Im März kommt die Antwort: „Warum Kinder immer aggressiver werden und was wir dagegen tun können“ (Piper Verlag).

Und erst im Juli wird klar: „Was Genitalien über Leben, Liebe und die Evolution enthüllen“ (dtv). Der Penis einer Libellenart hat eine Schaufel, um Spermien von Vorgängerin „hinauszuschaffen“ ...

Sonst? Sehr viele Bücher über den Ersten Weltkrieg, und mitten drunter: „Der Befreier“ vom Historiker Alex Kershaw über US-Soldaten Felix Sparks. Oft hatte er sich an seinen 500 Kriegstagen gefragt: „Warum machen wir das?“ Die Antwort fand er in Dachau. Sparks ( 2007) hatte jene Einheit kommandiert, die das KZ befreite.

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