Büchervorschau 2016: Endlich ein Held mit hohem Blutdruck

John Irving
John Irving und Jonas Jonasson werden den Buchhändlern die größte Freude machen

Nach dem bombastischen "Bücherherbst" 2015 mit den vielen 1000 Seiten starken Romanen kündigt sich ein ruhigeres erstes Halbjahr 2016 an.

Ruhiger und dünner.

Sogar John Irving hielt sich zurück. Sein 14. Buch "Straße der Wunder" – ab Ende März im Diogenes Verlag – blieb mit 730 Seiten deutlich unter 1000. (Aufpassen, beredet man die vielen Seiten, wird er zornig: Dicke Bücher zu schreiben sei viel schwieriger, sagt er ...)

Die Kritiken in den USA waren meist recht gut.

Irvings neuer Held Juan Diego hat einiges mit alten Helden gemeinsam, z. B. ist er ein erfolgreicher Schriftsteller, und er mag Sex. Hohen Blutdruck hat er, er braucht eine Menge Tabletten, seine Frauen reißen sich darum, sie einzuteilen; Viagra nimmt er auch.

Schon darüber kann man viel erzählen. Interessanter dürfte aber seine Schwester sein, Lupe. Sie kann in die Zukunft schauen und Gedanken lesen. Vielleicht.

Beide wuchsen neben einer Mülldeponie in Mexiko auf, und wenn Juan Diego jetzt auf die Philippinen reist, träumt er von seiner Jugend ... und man lernt: Echte Wunder, das sind wir, du und ich.

Jonas Jonasson ist wohl der zweite Autor, über dessen neuen Roman sich Buchhändler freuen werden.

Der Schwede hat ja mit dem "Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand" die Leut’ um den Finger gewickelt: 10 Millionen verkaufte Exemplare weltweit! Der Nachfolger "Die Analphabetin, die rechnen konnte" ging fünf Millionen Mal weg (und gilt seltsamerweise als "gescheitert").

Jonassons Gangstergeschichte "Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind" ist kürzlich in einem Stockholmer Verlag erschienen. Die deutsche Fassung im Münchner Verlag carl’s books kommt am 7. April.

Um eine "Körperverletzungsagentur" geht es – ein "Häfnbruder"gibt den Schläger, eine gottlos gewordene Pfarrerin managt den Laden.

Die Kritiken in Schweden waren nicht so gut.

Mehrere Romane haben Flucht bzw. Flüchtlinge zum Thema. "Die Ohrfeige" vom Perser Abbas Khider zum Beispiel (Hanser Verlag): Da hat sich jemand vom Irak nach Frankreich durchgebissen – das heißt: Er glaubt, in Frankreich gelandet zu sein. Aber er ist in der bayerischen Provinz gelandet und kämpft sich nun durch Formulare und Asylunterkünfte.

... und irgendwann ist jeder, der noch lebt,auf der Flucht: In "Die Verteidigung des Paradieses" von Thomas von Steinaecker (S. Fischer Verlag) ist es zu spät, ein guter Mensch zu sein – Deutschland ist verseucht, verwüstet, am Himmel kreisen die Drohnen ...

Von Jänner bis Juni

Zwischen 10.000 und 20.000 neue Romane und Erzählbände kommen im „Bücherfrühling“ – der im Jänner beginnt – auf den Markt.
Martin Walser beginnt mit „Ein sterbender Mann“, gefolgt von Julian Barnes’ Essays „Am Fenster“. Von Colum McCann erscheint „Verschwunden“: Ein 13-Jähriger geht ins Meer schwimmen, seine Mutter schläft noch, weg ist er. Über Ingeborg Bachmanns Jahre in Wien, als sie im Café Raimund zum engen Kreis um Hans Weigel und Paul Celan gehörte, wird man viel mehr erfahren.


Der Februar beginnt mit Orhan Pamuks „Diese Fremdheit in mir“ – in der Türkei war er damit erfolgreich wie nie. Musiker Nick Cave bringt ein langes Gedicht, „Das Spucktütenlied“. Über Fred Astaire erscheint der Schweizer Roman „Frederick“.
Marie von Ebner-Eschenbach wäre 100 geworden, Daniela Strigl schrieb ihre Biografie „Berühmt sein ist nichts“.
David Grossman schaut sich in „Kommt ein Pferd in die Bar“ an, ob Humor Leben retten kann; Norbert Gstrein schaut sich in Israel und Palästina um („In der freien Welt“); Michael Köhlmeier schaut sich Menschen ohne Herkunft an („Das Mädchen mit dem Fingerhut“).
Die Amerikanerin Erica Jong hat nach dem 18 Millionen Mal verkauften Roman „Angst vorm Fliegen“ (1973) nun „Angst vorm Sterben“.


Im März begnügen wir uns mit reinem Aufzählen. In den Handel kommen zum Beispiel:
„Die Annäherung“ von Anna Mitgutsch; „Krötenliebe“ von Julya Rabinowich; „Unterleuten“ von Juli Zeh; „Der Jonas-Komplex“ von Thomas Glavinic; „Die Markus-Version“ von Peter Esterhazy; „Topografie der Erinnerung“ von Martin Pollack; „Ernte des Bösen“ von Robert Galbraith (= J.K. Rowling); „Der Überkäufer“ von Siegfried Lenz; „Der letzte große Trost“ von Stefan Slupetzky ... und John Irvings „Straße der Wunder“.


Im April ist Zeit für Jonas Jonassons „Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind“ – wobei Jonasson schwedische Konkurrenz hat: Mikael Bergstrand erzählt „Der 50-Jährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half“.
Vom humorlos wirkenden Maxim Biller aus dem „Literarischen Quartett“ stammt der angeblich komische Roman „Biografie“.


Überraschung im Mai: André Heller legt „Das Buch vom Süden“ vor, seinen ersten Roman. Alice Munro wird 80, „Ferne Verabredungen“ versammelt berühmte Kurzgeschichten.


Über den Juni ist bisher bekannt: Hans Falladas „Kleiner Mann, was nun?“ erscheint erstmals in der Urfassung ... und, keine Literatur, Natascha Kampusch sagt in „Zehn Jahre Freiheit“, wie es ihr geht.

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