Der Sumpf im Schlaraffenland

Der Sumpf im Schlaraffenland
Für viele österreichische Schriftsteller ist Korruption das Thema der neuen Saison.

Die Armut ist das Schlaraffenland der Reichen, an ihr bedient sich unsere Zeit je nach Belieben.“

Soll niemand behaupten, Österreichs Krimi-Autoren können vor allem blödeln.

Der Satz stammt von Thomas Raab, dessen sechster Fall „Der Metzger kommt ins Paradies“ (Droemer Verlag) ab 1. März in den Buchhandlungen liegen wird.

Der Serienheld, Möbelrestaurator Metzger, liegt zunächst am Strand von Jesolo (oder Caorle? Bibione?), und nach dem Urlaub steckt er im Sumpf von Wien.

Thomas Raab ist nicht der einzige Österreicher, der im Jahr 2013 Korruption zum Thema eines neuen Romans macht.

Der Sumpf im Schlaraffenland
APA4921990-2 - 19082011 - SCHANDORF - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Der österreichische Schriftsteller Peter Rosei während eines Interviews mit der APA am Dienstag, 16. August 2011, im burgenländischen Schandorf. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Peter Rosei etwa knöpft sich in „Madame Stern (Residenz Verlag, 15. Februar) eine Karrierefrau vor, die dem Finanzminister sehr zu Diensten ist.

„Ob die Würde“, so fragt der 66-jährige Schriftsteller, „ob die Würde nicht bloß eine Funktion von Geld ist? Ob man es hat oder nicht?“

Der Debütant Christian David aus Wien zeigt in „Mädchenauge“ (Deuticke Verlag, 28. Jänner) einen korrupten Bürgermeister, und Bert Rebhandl wird seinen trashigen Privatdetektiv Rock Rockenschaub auf einen polnischen Pfarrer ansetzen, der mit Spielmanipulationen einen Fußballclub ins „Abseits!“ drängt (Czernin Verlag).

KURIER: Wer ist korrupt im neuen Metzger-Roman?
Thomas Raab:
Korrupt sind immer die, die zu vertrottelt sind und sich erwischen zu lassen. Von den anderen wissen wir ja nichts. Wobei es natürlich eine Vertrottelung der besonderen Art darstellt, so abgehoben zu sein, um davon auszugehen, von anderen gar nicht erwischt werden zu WOLLEN. Ich glaube fest an den Grundsatz: Die Auftriebskraft der Wahrheit ist größer als die Gewichtskraft der Lüge.

Warum mischen sich die Schriftsteller in Österreich so selten in die Politik ein?
Weil die Politik besitzergreifend ist. Da gehst du auf ein Festl, bekommst beim kurzfristigen Verlassen des Veranstaltungsortes einen Stempel, und der geht dann nicht mehr runter, so gründlich kann man sich gar nicht waschen. So ist Politik, leider oft auch genauso schmutzig. Und das ist so wie in der Schule: Die neun Spitzenlehrer können mit ihrer pädagogischen Wirkung baden gehen, wenn der zehnte ein Arschloch ist. Einer kann alles kaputt machen.

Schreien statt schreiben?
Schreien wär’ genau das Richtige. Nur wo? Mit Gitarre auf der Kärntner Straße? In der Karlsplatzpassage? Ist ja nicht grad so, dass jene Medien, die direkt zum Ohr gehen, scharf auf das Gelaber eines Schriftstellers wären. Und jeder will jetzt auch nicht grad Sarrazin heißen oder Roche. Und wenn ich mir dann die Talkshows ansehe, ist Schreiben ehrlich gesagt schon die gescheitere Lösung ... Abgesehen davon, Schreiben ist vielleicht leise, aber die eigenen Enkerln haben auch noch was davon.

Und die Leser? Die bekommen heuer eine geballte Ladung Bücher über Korruption. Muss das nicht langweilig werden?
Das ist eben die einzige Chance eines Schriftstellers, aufzuschreien. Und wenn sich eine ganze Zunft ohne Absprache vermehrt für ein ähnliches Thema entscheidet, dann ist Feuer am Dach.

Fragt sich ein Autor, ob ein Thema „notwendig“ ist?
Glaube ich nicht. Wir sind ja weder Gelehrte noch schreibende Pädagogen. Ich zum Beispiel bin ein intellektuelles Nudelaug. Immer aber sind Autoren Menschen, die viel Zeit mit sich, ihrem Hirn, ihrem Bauch und einem Stück Papier verbringen. Wenn zum Beispiel kleine Kinder keine Bäume und Blumen mehr zeichnen, sondern Kreuze und blutige Schwerter, dann wird’s schaurig ...“

Paulo Coelho ist der Erste im sogenannten Frühjahrsprogramm der Verlage. Der Diogenes Verlag macht schon seit Wochen mit Ansichtskarten Werbung, auf denen Zitate aus „Die Schriften von Accra“ (erscheint nächste Woche Montag) stehen, z. B.:

„Die Liebe lässt dich lächeln, wenn du müde bist.“

Und mit so etwas verdient der Brasilianer Millionen.

Weiters im Jänner: „Die Frösche“ des chinesischen, Zensur gutheißenden Nobelpreisträgers Mo Yan; Essays unter dem Titel „Weiter weg“ von Jonathan Franzen; Barbara Coudenhoves Erinnerungen „Zuhause ist überall“; Michael Köhlmeiers Schelmnenstück „Abenteuer des Joel Spazierer“; Tom Wolfes „Back to Blood“; Veit Heinichens Krimi „Im eigenen Schatten“; David Grossmans Klagegesang „Aus der Zeit fallen“ zur Überwindung des Schmerzes nach dem Tod seines Sohnes.

Im Februar dann – endlich, 20 Jahre nach „Gebürtig“ – Robert Schindels zweiter Roman „Der Kalte“ (über österreichische Kulturkämpfe in den 1980er-Jahren). Gleich zwei Bücher bringt Suhrkamp vom Kärntner Büchner-Preisträger Josef Winkler: „Mutter und der Bleistift“ sowie „Wortschatz der Nacht“.

Von Péter Esterházy erscheint „Esti“, so wurde er auf der Uni genannt, von Eva Menasse das Frauenporträt „Quasikristalle“. Karl Löbl denkt in „Der Balkonlöwe“ an 60 Jahre mit Opern- und Theaterprominenten zurück, Burgtheater-Schauspieler Joachim Meyerhoff erzählt im zweiten Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ von den vielen Verrückten, zwischen denen er aufwuchs.

Sein Vater leitete nämlich eine Psychiatrie.

(Schon wieder) etwa Neues von Martin Walser, „Meßners Momente“, hat der März. Auch Elfriede Jelineks Bühnenessay „Rein Gold“ erscheint in Buchform, E.L. Dokorows „Alle Zeit der Welt“, Amos Oz’ „Unter Freunden“, Dirk Stermanns „Stoß im Himmel“, Evelyn Grills „Sohn des Knochenerzählers“.

Von Christa Wolf kommt posthum der letzte Tagebuch-Teil „Ein Tag im Jahr im neuen Jahrhundert: 2001– 2011“.

„Mörikes Schlüsselbein“ der Bachmann-Preisträgerin 2012 Olga Martynova wird im steirischen Droschl Verlag herausgebracht.

Über den April weiß man bisher: Mario Vargas Llosa macht sich in „Alles Boulevard“ Gedanken über die Kultur (wer sie verliert, verliert alles). Suhrkamp präsentiert unter dem Titel „Argumente eines Winterspaziergängers“ zwei frühe Fassungen von Thomas Bernhards „Frost“ ... und William Gaddis’ 50 Jahre alter Roman „Die Fälschung der Welt“ wurde übersetzt: Lug und Trug und Schein auf 1200 Seiten. Man wird also im April nicht viel mehr bewältigen können.

Der Mai? Felix Mitterer wird 65. Der Innsbrucker Haymon Verlag legt deshalb seine Theaterstücke in budgetfreundlichen Ausgaben neu auf.

Dass der 33-jährige burgenländische Schriftsteller Clemens Berger bei Luchterhand gelandet ist, stimmt hoffnungsfroh: „Ein Versprechen von Gegenwart“ spielt in der Zeitspanne kurz vor bzw. kurz nach Mitternacht. Angeblich ist da vieles möglich. Sogar Erotisches.

Kommentare