Buchkritik: Dennis Lehane und "Der Abgrund in dir"
Der deutsche Titel ist nicht als gelungen zu bezeichnen: „Der Abgrund in dir“.
Passt fast immer. Jeder Roman ist voller Abgründe – vielleicht Pippi Langstrumpf ausgenommen.
Der Originaltitel „Since we fell“ (= Seit wir einander verfallen sind) wurde vom Jazzstandard „Since I Fell for You“ aus 1947, gesungen von Lenny Welch, Dinah Washington, Nina Simone, Van Morrison ... inspiriert.
Seit Präsident Bill Clinton beim Aussteigen aus der Air Force One
Dennis Lehanes Buch „Prayers for Rain“ in der Hand hielt, ist der Autor berühmt. Alexander van der Bellen liest ihn ebenfalls mit Begeisterung. Fünf Romane wurden bisher verfilmt. zuletzt „Live by Night“ (In der Nacht) von und mit Ben Affleck. Die Filmrechte für „Der Abgrund in dir“ sind bereits verkauft, leider gibt es Hitchcock nicht mehr.
Vatersuche
Lehane - Bild oben vor Filmplakat - ist Fan des Schauspielers
James Cagney (1986), einer der großen alten Gangsterdarsteller. Vielleicht schreibt er deshalb über Mafia, Korruption und dass niemand dem Vergangenen entkommen kann.
Das passt auch im aktuellen Buch. Sonst ist es untypisch, weil erstmals aus der Sicht einer Frau erzählt wird. Und der Roman fällt in zwei Teile, bei denen man sich fragt, wie das passt:
Eine Frau erschießt ihren Ehemann. Sekunden vor dem Schuss würde sie sagen: Ich liebe dich. Und er würde, während er blutend ins Meer fällt, sagen: Ich liebe dich.
Schnitt, erst später wird Lehane darauf zurückkommen, sehr spannend wird das. Aber vorher sucht diese Frau ihren Vater. Mutter hat seinen Namen nicht verraten, sie hat nur gesagt, er habe gerochen wie ein Blitz.
Damit kann ein Privatdetektiv, die Mutter ist tot, relativ wenig anfangen; und ist der Vater trotzdem gefunden, dann ist er gar nicht der Vater, und jetzt sucht er mit der Nicht-Tochter den Vater.
Das ist eine Liebesgeschichte. Das ist ein Psychothriller. Das ist ein Krimi. Aber ist es nicht völlig egal? Selbst wenn es eine Giraffe mit Punkten wäre: „Der Abgrund in dir“ ist empfehlenswert.
Dennis
Lehane: „Der
Abgrund in dir“
Übersetzt von
Steffen Jacobs und Peter
Torberg.
Diogenes Verlag.
528 Seiten.
25,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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