Wole Soyinka: Schönes im Misthaufen

Wole Soyinka: Schönes im Misthaufen
Der erste Roman des Nobelpreisträgers seit 1973: Kritik an Nigeria, in Satire verpackt

So beginnt sein erster Roman seit 48 Jahren; sein dritter überhaupt (stattdessen hat er mehr als 30 Theaterstücke geschrieben):

„Papa Davina, den man auch Teribogo nannte, schmiedete seine eigenen Spruchweisheiten. Eine seiner berühmtesten lautete: Perspektive ist alles.“

Beispiel: Nigerianer beschreiben ihr Land manchmal als einen einzigen gewaltigen Misthaufen.

Aber Papa Davina – andere Perspektive – empfindet Glückseligkeit bei dem Gedanken: „Wenn also unsere Nation wirklich der Misthaufen der Welt ist, dann heißt das doch, dass wir der Menschheit einen Dienst erweisen.“

Heger des Volkes

Man kann „Die glücklichsten Menschen der Welt“ für eine Satire halten. Schon der Titel spricht dafür.

Es gab tatsächlich vor Jahren eine Umfrage, die ergab: Nigeria gehöre weltweit zu den vier glücklichsten Nationen.

Der Nigerianer Wole Soyinka – erster Literatur-Nobelpreisträger aus dem „schwarzen Afrika“, 1986 – hat sich gefragt: Wie ist man denn auf diese Idee gekommen?

Soyinka gibt jetzt mehrere Antworten in dem Buch, es kommt auf die Perspektive an: Nigeria ist nicht die komplette Katastrophe, denn die Menschen können immerhin ihren Lebensunterhalt bestreiten. Hat er in einem Interview gesagt.

„Das sollte man feiern!“

Dieser Satz muss sarkastisch gemeint sein. Bitterer Ernst tarnt sich als Ironie.

Der Roman ist überfrachtet, und zumindest die ersten 100 Seiten sind ein Kampf, ob man weiterlesen soll. Er ist überfrachtet, obwohl es nicht viel Handlung gibt. So vergeht ein Kapitel nach dem anderen, in denen ein Ingenieur darauf wartet, zum Premierminister, der ihn hat rufen lassen, gebracht zu werden.

Immerhin bekommt er eine Bierdose, die in einem Sackerl versteckt ist: Es soll niemand glauben, dass im Regierungsgebäude getrunken statt gearbeitet wird.

In diesem gar nicht fiktiven Land wird getäuscht und betrogen, auch Betrüger werden betrogen. Die Regierung bekommt Soyinkas weisen, bösen Witz zu spüren.

Der Chef lässt sich „Heger des Volkes“ nennen, weil er angeblich alle pflegt und schützt. Er verleiht seltsame Auszeichnungen ans Volk, um von der Korruption abzulenken, in die Politik, Medien und Kirche involviert sind.

Erzählt wird (manchmal) vom Handel mit Körperteilen. Nicht nur Chirurgen amputieren Schenkel, Finger, Brüste und verkaufen sie. Die Terroristen von Boko Haram brauchen dafür nicht einmal Unfallopfer. Sie sind harte Konkurrenz geworden.

Wole Soyinka engagiert sich seit Jahrzehnten für den Frieden, gegen Diktatoren und Idioten. Er ist 89, scheut keine Kritik und pfeift sich um nichts mehr. Auch Leser nimmt er nur mit, wenn sie unbedingt wollen.


Wole
Soyinka:
„Die
glücklichsten Menschen
der Welt“
Übersetzt von
Inge Uffelmann.
Blessing Verlag.
656 Seiten.
24,95 Euro

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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