Vladimir Vertlibs "Zebra im Krieg" ist ein Schrecken mit Ironie

Vladimir Vertlibs "Zebra im Krieg" ist ein Schrecken mit Ironie
Ein Roman über eine Rebellion in Osteuropa: Teilnahmslosigkeit ist auch keine Lösung

Bei aller Ironie, zu der Vladimir Vertlib - Foto oben - glücklicherweise in der Lage ist: Auf Seite 167 klingt sein Buch herrlich hoffnungsfroh.

„Vertrauen Sie der Zeit. Die Zeit ist unsere Freundin. Mit der Zeit bringt sie uns zwar alle um, doch sie stellt auch alles an seinen richtigen Platz. Mit der Zeit, und das können Sie mir glauben, kommt die Wahrheit auch dann ans Licht, wenn sie sich hinter einer Lüge versteckt.“

Nachts geht er ins Internet und schimpft.

Tagsüber ist Paul ein liebevoller Vater und Ehemann (einer Ärztin). Aber wenn Paul in der Nacht in den sozialen Medien Unsinn liest, ist es eine Sucht, sich einzumischen. Er wird dann arg beleidigend.

Angst

Jetzt ist der Flugzeugmonteur arbeitslos auch noch. Der Flughafen ist Kampfzone geworden. Es ist Krieg in der osteuropäischen Stadt am Meer. Bürgerkrieg.

„Zebra im Krieg“ spielt ein paar Jahre nach Corona.

Paul ist auf der Seite der Regierung. Die Rebellen bomben und schießen. Deshalb schrieb er nachts in seiner Wut an den Rebellenführer: „Du dreckiger Verräter ... ich schlitze dir deinen dicken Bauch auf ...“

Als die Stadt erobert wird, kommen Bewaffnete, holen Paul ab und bringen ihn in zum „dreckigen Verräter“, der mit einem Messer in der Hand Angst macht. Paul pinkelt in die Hose – das wird gefilmt und ins Internet gestellt.

Später erkennen Leute auf der Straße den „Pisser“ und werfen ihn in einen stinkenden Mistcontainer (wo schon eine kritische Theaterdirektorin sitzt). Die Diktatur hat begonnen.

Der Roman von Vladimir Vertlib – geboren 1966 in Leningrad, seit 1981 in Österreich (Salzburg und Wien) – hat viele Facetten. Alles interessiert. Es ist ein Buch über Schwäche und Stärke, über Hass im Internet und Liebe in der Familie, über Politik ...

Paul ist bloß ein Spielball. Er will, wie er sagt, nach seinem persönlichen Desaster „etwas Richtiges“ tun.

Das macht er, er hilft seinen jüdischen Nachbarn, die von den neuen Machthabern verhaftet werden.

Was allerdings nichts daran ändern wird, dass Paul auch von den Regierenden, als sie die Stadt zurückerobert haben, weggebracht wird.

Nur das Zebra behält Ruhe. Seit Bomben den Tiergarten verwüstet haben, steht es auf der Straße. Teilnahmslos. Gelassen. Ist es vielleicht das: Zebra sein?

Aber schon die Indianer haben sich geirrt, als es hieß, sie warten am Fluss, bis die Leichen ihrer Feinde vorübertreiben.

Das Zebra wird den Krieg nicht überleben.

***

Leider steht auch geschrieben, Seite 273: „Wir leben in Zeiten der Lüge.“

Dann stimmt es also doch nicht, dass mit der Zeit alles ans Licht kommt.


Vladimir
Vertlib:
„Zebra
im Krieg“
Residenz Verlag.
288 Seiten.
24 Euro

KURIER-Wertung: ****

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