... und wieder zehn Bücher, ganz kurz

... und wieder zehn Bücher, ganz kurz
Diesmal mit Fröschen, einem alten Kapitän, Hirschgulasch, Zombies, Viriginia Woolf und Clarice Lispector.

Tiere und Tümpel verschwinden

Natur. Der  Buchtitel "Das Schweigen der Frösche" wird jene verwundern, die in der Nähe quakender Frösche nachts zu schlafen versuchen. Trotzdem, es stimmt ja: Viel Getier schweigt mittlerweile, Wasserstellen verschwinden, die Natur verändert sich, und die Niederländerin de Bok  lauscht und beobachtet und legt Tümpel an für Insekten und Schwalben und macht den Garten essbar. Ansteckend.

Pauline de Bok:
„Das Schweigen der Frösche“
 Übersetzt von Gerd Busse.
Verlag C.H. Beck.
320 Seiten. 24,70 Euro

KURIER-Wertung: ****

 

Ein Kind, das mit dem Regen sprach

Persien. Das lange Gedicht seiner persischen Kindheit, SAID  hat es einem Freund zur Veröffentlichung übergeben. Ein verträumtes Kind war er, der mit dem Regen sprach. Aber ihm entging nichts in Teheran, nicht Hinrichtungen nach Putsch 1953, nicht Rassismus. Von ihm gibt es den Satz: „Ich gehe fort, wenn die Menschen zu klug geworden sind.“ SAID starb vergangenes Jahr in München.

SAID:
„Ein vibrierendes Kind“
 C.H. Beck Verlag.
272 Seiten.

KURIER-Wertung: ****

 

Entziffern für Fortgeschrittene

Brasilien. „Wenn man glücklich ist, was kommt danach?“   Mit solchen Fragen machte die Brasilianerin Clarice Lispector (1977) ihre Leser wehrlos. Ihr Land hat sie bis heute nicht vergessen, und Europa hat mittlerweile ihre Romane kennengelernt. Geheimnisvoll grandios. In den 30 Kurzgeschichten sind Frauen zu entziffern – aber das wird nicht so einfach gelingen.

Clarice Lispector:
 „Ich und Jimmy“
 Übersetzt von Luis Ruby. Nachwort von Teresa Präauer.  Manesse
Verlag. 416 Seiten. 24,95 Euro

KURIER-Wertung: ****

 

48 Stunden mit Vater und Sohn

Marseille. „Chez Papa“ ist immer noch ein viel gelobtes Restaurant in Marseille. Hier beginnt das Gespräch eines Vaters, 51, mit seinem 17-jährigen Sohn. Der Junge muss wegen eines medizinischen Tests 48 Stunden wach bleiben, der Vater bleibt bei ihm. Sie reden miteinander, ist das schön! Bei Jazzmusik entsteht so etwas wie Stolz auf beiden Seiten. Zumindest in der Literatur gibt’s das.

Gianrico Carofiglio:
„Drei Uhr morgens“
 Übersetzt von Verena Koskull.
Unionsverlag.
192 Seiten. 14 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Die Zombies gehen arbeiten

New York. Der Roman ist wie eine Prophezeiung aus dem Jahr 2018: Ein Pilz aus China, das Shen-Fieber, macht aus Menschen weltweit  Zombies; deshalb herrscht  Maskenpflicht. In untote stupide Workaholics werden sie verwandelt, bevor sie sterben. Das ist selten: Eine Satire, aber nicht nur kritisch gegenüber Kapitalismus und derzeitiger Arbeitswelt sowie witzig. Sondern sogar spannend.

Ling Ma:
„New York Ghost“
 Übersetzt von Zoë Beck.Verlag.
Unionsverlag.
368 Seiten. 16 Euro

KURIER-Wertung: ****

 

Godot schaut kurz vorbei

Warteraum. Der Traum ist wichtiger als die Sache selbst: Kevin Barry hat es mit John Lennon im Roman „Beatlebone“ vorgeführt. Nun setzt er zwei ehemals wilde Hunde in den Hafen der südspanischen Stadt  Algeciras. Sie warten auf ein Schiff aus Tanger. Es ist wie Warten auf Godot. Langsam wird der Grund für ihre Warterei klar und „Godot“ schaut vorbei. Kurz. Ein großartiges Spiel.

Kevin Barry:
„Nachtfähre nach Tanger“
Übersetzt von Thomas Überhoff
Rowohlt Verlag.
208 Seiten 22,95 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Der Ursprung vom Abstieg

Totenreich. Ein sumerischer Mythos, 3000 Jahre alt:  Liebesgöttin Inanna (= Anna In) steigt zu ihrer Zwillingsschwester,  Göttin der Unterwelt. Obwohl noch nie jemand ins Leben zurückgekehrt ist.  Die polnische Nobelpreisträgerin Tokarczuk erzählt nach bzw. erzählt neu, futuristisch geradezu, aber es bleibt dabei: Hell und dunkel sind bloß die beiden Seiten einer Münze.

Olga Tokarczuk:
 „Anna In“
Übersetzt von Lisa Palmes.
Kampa Verlag.
192 Seiten. 22,95 Euro

KURIER-Wertung: ****

 

Innenansichten in unsicherer Zeit

London. James Joyce hat  es in „Ulysses“ ähnlich gemacht – was Virginia Woolf lustigerweise als „ichbezogen, penetrant, derb“ kritisierte. Ein Tag im Leben mehrerer Londoner: Bei ihr macht die Empathie, die Menschlichkeit, mit der sie ihre Figuren porträtiert, den großen Unterschied. Sie zeigte, wie’s „da drinnen aussieht“ in unsicherer Zeit: damals nach dem 1. Weltkrieg (und heute)

Virginia Woolf: „Mrs. Dalloway“
Neuübersetzung von Melanie Walz. Nachwort von Vea Kaiser.
Manesse Verlag.
400 Seiten. 24,95 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Der Duft vertreibt Vergangenes nicht

Portugal. Der alte Kapitän, „kein ehrbarer Mensch“,  kehrt  ins geerbte Haus der Mutter heim. Als Portugal noch Kolonien in Afrika hatte (bis in die 1970er-Jahre), leistete er seinen mörderischen Beitrag. Jetzt gestaltet er einen duftenden Garten, aber die Schuld lässt sich damit nicht vertreiben. Er versteht sowieso nicht, dass er Böses zu verantworten hat. Lyrischer Blick in die Düsternis. 

Djaimilia Pereira de Almeida:
„Im Auge der Pflanzen“
Übersetzt von Barbara Mesquita.
Unionsverlag.
128 Seiten. 20,95  Euro

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Kurze Wanderung, lange Speisekarte

Südtirol. Nicht zu lang soll der Weg sein, steil darf er nicht sein, eine schöne Aussicht will man haben, und ein gutes Essen soll es nachher geben. 35 Minuten zum Häusler Sam am Fuße des Latemar – das klingt gut. Dort gibt es Hirschgulasch und Kalbsbraten mit Selleriepüree. Garnelen gibt’s manchmal auch, aber die essen wir lieber am Meer. 44 Ideen für einen Ausflug in Südtirol.

Oswald Stimpfl:
 „Wandern und Einkehren
in Südtirol“
 Folio Verlag.
144 Seiten. 16 Euro

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

 

 

 

 

 

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