... und wieder 19 Bücher, kurz vorgestellt

... und wieder 19 Bücher, kurz vorgestellt
Diesmal wird der Mond bunt, die Polenta verbrennt, eine 2100 Jahre alte Chinesin sieht gut aus, Wien ist wunderschön, und Bangkok schmeckt paradiesisch.

Dialog ohne Worte

Mehr Farbe ins Grau – das gilt selbstverständlich auch für den Mond. Dem schaden die Buntstifte eines Buben, der bei einem Schulausflug „oben“ vergessen wurde, gar nicht. Den unentdeckt gebliebenen Einheimischen gefällt’s auch. Der Lehrer, der zurückkommt, um  seinen Schüler zu holen, wird allerdings dafür sorgen, dass die bemalten Felsen wieder grau werden ... So geht das erste Kinderbuch des amerikanischen Grafikdesigners John Hare: „Ausflug zum Mond“ kommt ohne Text aus und ist trotzdem ein Dialog mit dem Fremden. Die Fantasie fliegt in alle Richtungen. Ab vier Jahren.

Die oben abgebildete Zeichnungvon John Hare ist aus diesem Buch.


John Hare: "Ausflug zum Mond" Moritz Verlag. 48 Seiten. 14,40 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

Narren könnten die Welt retten

In der Kürze liegt die Würze, doch Stefano Benni, einer der bekanntesten Autoren Italiens, mag es dick und lang und verrückt und poetisch und ironisch: Eine alte Frau bekommt von einem weißen Katzensohn den Auftrag, die Welt zu retten – indem sie binnen acht Tagen zehn Narren (= zehn Gerechte) zu finden. Die Kandidaten schauen wir uns an. Gott wird die Prüfung nicht schaffen.

Stefano Benni:
„Prendiluna“
Übersetzt von Mirjam Bitter.
Wagenbach Verlag.
250 Seiten. 24,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Wo Dr. Schneid heilte

’s ist ja schon schön genug, „wenn ich durch Wien mit verlliebten Augen geh“ (Wienerlied). Wird man auf Durchhäuser, Hinterhöfe, versteckte Gassln auch noch aufmerksam gemacht wird, könnte daraus ein Hobby werden. Heute Heumühlgasse 9, morgen Blutgasse 3, übermorgen  Czerningasse, wo einst Dr. Schneid Menschen vom Bandwurm befreite.

Gabriele Hasmann:
„Geheime Pfade“
Fotografien von Charlotte Schwarz.
Falter Verlag.
246 Seiten. 29,90 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Schmalz, zu früh fest

Früher war thailänsiches Essen fast immer mit Schmalz gemacht worden. In vollklimatisierten Restaurants wurde das Schmalz auf den Tellern allerdings noch während des Essens bei Tisch fest. Das geht nicht. Daheim geht’s. Daheim sind alle 120 typischen Gerichte duchaus möglich. Zwischen Vor- und Hauptspeise gibt’s auch noch Spießchen und gefüllte Palatschinken. Ein preisgekröntes, ein paradiesisches Buch.

Leela Punyaratabandhu:
Bangkok
Übersetzt von Ulrike Kretschmer.
Südwest Verlag.
368 Seiten. 37,10 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

Das erste Buch blieb geheim

Wann wird ein Schriftsteller ein Schriftsteller? Beim ersten Buch. Von Daniel Glattauer ist es nicht erschienen. Verlage waren nicht interessiert gewesen. Clemens J. Setz hat sein Debüt – dem er den Titel „ADR“ gab – niemandem gezeigt ... 30  Gehversuche sind hier dokumentiert. Sie verführen zum Lesen, und sie spornen vielleicht sogar an zum Schreiben. U.a. erzählen von ihrem Debüt Sabine Gruber, Monika Helfer,Teresa Präauer, Marlene Streeruwitz, Gerhard Roth, Kurt Palm,Daniel Kehlmann, David Schalko ...

Wolfgang Paterno (Herausgeber): „Das erste Mal“
Czernin Verlag.
208 Seiten.
22 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Ruhig war es in Marlborough

In Marlborough im Süden Neuseelands gibt es 40 Weingüter. Viel Sauvignon Blanc und Ruhe, angenehm warmes Wetter das ganze Jahr. Aber dann kommt ein englischer Polizist, er versteckt sich vor einer Bande, und nun watet er durch den blutgetränkten Rache-Thriller. Persönlicher Lieblingssatz, nur zur Beruhigung: „Danke für den Tee.  Und für die Kekse.“

Alan Carter:
Marlborough Man“
Übersetzt von Karen Witthuhn.
Suhrkamp Verlag.
383 Seiten. 15,40 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Schnäuzen und verbeugen

Schnäuzen ist unelegant. Den Rotz hinaufziehen, und zwar laut, das  ist super.  Wer sich schnäuzt, sollte sichgefälligst dafür sofort entschuldigen – mit einer Verbeugung, das bedeutet: Kopf und Rücken im 15-Grad-Winkel. Und nur wer sterben will, steckt seine Stäbchen in den Reis ... Dieser Japan-Führer punktet mit 100 Zeichnungen und wenig Text (und viel Verwunderung).

Marco Reggiani:
Japan. Der illustrierte Guide“
Illustriert von Sabrina Ferrero.
Prestel Verlag.
224 Seiten. 24,70 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Jurist mit dem anderen Blick

Ihren „Senf“ haben Tausende zu Kafka gegeben, selten meldete sich ein Rechtswissenschaftler wie der Kärntner Richter und Dichter Janko Ferk zu Wort. Als Jurist schaut er sich das Testament an, in dem  Max Brod von Freund Kafka aufgefordert wurde, u. a. die Romane zu verbrennen.  Textinterpretationen machen Lust aufs Überprüfen (Originale sind im Buch!) und auf Widerspruch.

Janko Ferk:
„Kafka, neu ausgelegt“
Leykam Verlag.
109 Seiten.
16,50 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Leere Bänke in Venedig

Ein Venedig-Buch geht noch, nämlich dieses. Wolfgang Salomon, der in der Wiener Leopoldstadt das Restaurant „Spezerei“ führt, weiß, wo es nach angebrannter Polenta riecht und wo vier meist verwaiste Parkbänke auf der Giudecca stehen, um dem Treiben auf dem Kanal zuzuschauen – auch kennt er  den einzigen Platz, an dem man die Wellen der Lagune UND der Adria mit ihren so unterschiedlichen Schlägen hört.

Wolfgang Salomon:
Venedig und die Lagune für
Fortgeschrittene“
Styria Verlag.
208 Seiten. 28 Euroe.
KURIER-Wertung: ****

Zum ersten Mal die zwei Buchstaben

P.P. Wiplinger, so vielseitig, kämpferisch, wenn es um Entrechtete geht, ist 80. Leben ist erinnern, und nach 49  Büchern kommt er sozusagen „hinten“ an, in der Kindheit im Mühlviertel, zum ersten Mal hört er die zwei Buchstaben , KZ, dann verschwinden Hitler-Bilder... Auch Wiplinger, der viel vor dem Vergessen bewahrte, will nicht vergessen werden.

Peter Paul Wiplinger:
„Erinnerungsbilder“
Löcker Verlag.
173 Seiten.
19,80 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Mit wenig Geld ist es spannender

Der Norweger Erling Kagge ist Abenteurer und Kunstsammler, und das passt gut zusammen: Mit Nase und Ohren kauft er Bilder, aber sein 1. Gebot lautet: Sei besessen, und das 2. heißt: Sei gut informiert. Sein kleiner Nachhilfeunterricht zielt auf angehende Sammler, die nicht so viel Geld haben – weil die Reichen haben fade Sammlungen (sagt Kagge).

Erling Kagge:
„Große Kunst für kleines Geld“
Übersetzt von Moritz Müller-Schwefe.
Insel Verlag.
200 Seiten. 20,60 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Kein Problem mit Fichten

Zu dieser  TV-Show mit bisher 250 Folgen kommen Prominente gern, Scheitern ist nicht schlimm. Nicht so schlimm wie in einer anderen Sendung jener Schauspieler, der nicht davon abzubringen war, dass seiner Meinung nach Fichten Laubbäume sind. Aber ob in Wien vor 1900 Perücken mit Geheimfach oder  Spazierstöcke mit integrierter Flöte populär waren, muss niemand wissen. (Flöte).

Wer weiß denn sowas?
Mehr als 150 Fragen aus der
ARD-Sendung. Band zwei.
Heyne Verlag.
316 Seiten. 10,30 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Anregung, in Gräber zu steigen

Reinhard Habeck wird schön langsam außerirdisch. Im 25. Buch besucht er Gräber, die es nicht geben dürfte, zum Beispiel die Leiche der chinesischen Adeligen „Marquise von Dai“, die bei der Graböffnung nach 2.100 Jahren ziemlich gut aussah… Aber wie meint er das, dass er dazu anregen möchte, als Hobby-Archäologe selbst auf  Entdeckungsreise zu gehen? Angst!!!

Reinhard Habeck:
„Gräber, die es nicht geben dürfte“
Kopp Verlag.
256 Seiten.
20,60 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Infos für den Aufschrei

Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ist ein Ozean (= Isaac Newton) – und dort landet der meiste Dreck. Unser Dreck. Damit der Aufschrei der Umweltschützer so laut ist, dass hartnäckige Leugner nicht schlafen können, braucht man Information, z. B. wie die Verseuchung der Meere Schildkröten, Delfine, Haie, Seepferdchen umbringt.

Hannes Jaenicke und Ina Knobloch: „Aufschrei der Meere“
Ullstein Verlag.
320 Seiten.
20,60 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Da hat sich viel aufgestaut

Selten hat es so viel Spaß gemacht, jemandem zuzusehen, wie er sich austobt. Was muss sich in  „Heute“-Chefredakteur Christian Nusser aufgestaut haben! Der Spott im Debütroman verteilt sich auf einen Zeitungsherausgeber, auf Reporter,  Politiker ...  In der gemischten Sauna beginnt’s, aber Österreich kann nichts passieren – es ist alles auf Video.

Christian Nusser:
„In der Not frisst der Teufel Lügen“
AHVV Verlag.
396 Seiten.
19,90 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Unvergängliche Riesenwelt

Die Magnum Agentur, zwischen Journalismus und Kunst pendelnd, ist berühmt, aber nicht für Landschaftsbilder. Deshalb ist dieser Archivblick überraschend: unvergängliche Berge, winzige Menschen, von Zermatt im Jahr 1950 bis zum Golden Fels in Myanmar, – das ist von Eve Arnold, Robert Capra, René Burri ... festgehaltene Lebenskraft.

Annalisa Cittera, Nathalie Herschdorfer (Hrg): „Berge. Das Magnum Archiv“ 230 Fotografien. Übersetzung: Cornelius Hartz. Prestel
Verlag. 240 Seiten. 49,40 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Zuerst das Huhn, dann die Tote

 Eine junge Frau wird während eines Sonnwendfestes in der Wachau erschlagen, und das Angenehme ist, dass sich dieser kleine niederösterreichische Kriminalroman trotzdem nicht tummelt. Dass ein pensionierter Hofrat zunächst anderes im Sinn hat, bevor er sich in die Ermittlungen einmischt – „Ich muss mir einen Hühnereintopf kochen“ (Lieblingssatz).

Erich Schirhuber:
Dürnstein ... kann sehr kalt sein“
Edition Roesner.
172 Seiten.
18,90 Euro.
KURIER-Wertung: ****

Der Rhythmus im Rosental

Johann Veith war in Wien ein legendärer Kiberer. Jetzt ist er i.R. – aber net wirklich: Er erzählt aus seinem Leben, die beste Anekdote spielt in der Rosentalgasse: Ein Auto wackelte, die Polizei vermutete Einbrecher, aber es war Sex. Das Fenster wurde bissl geöffnet, eine Kokarde hergezeigt: „I bin a Kollege!“ Die rhythmischen Bewegungen wurden unverzüglich fortgesetzt.

Johann Veith:
„Die Fragen stellen wir!“
Verlagshaus Hernals.
246 Seiten.
19,90 Euro.
KURIER-Wertung: ***

Es muss kein Albatros sein

Millionen Vögel werden jedes Jahr umgebracht – etwa von Jägern in Albanien, von wilden Katzen in Australien. Die Vogelbeobachter aber werden mehr und mehr.   „Birdwatching“ ist Meditation. Es muss kein Albatros sein, auch Meisen  sind  ein Erlebnis „wie eine Senkrechte in der Zeit, du bist ganz im Hier und Jetzt“ Autor  Conradi  findet schöne treffende Worte.

Arnuld Conradi:
„Zen und die Kunst der
Vogelbeobachtung“
Antje Kunstmann Verlag.
240 Seiten. 20,60 Euro.
KURIER-Wertung: ****

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