... und wieder 18 Bücher, ganz kurz

... und wieder 18 Bücher, ganz kurz
Diesmal mit Karpfen, Rattengift, Teigtascherln, Seifenspender, Drachen, Menschenfresser ... und Romy Schneider

Es beginnt mit Pinselstrichen

Zeichnen. Ein häufig gehörter Satz ist (abgesehen von: Ich habe ihn nicht gewählt): Ich kann nicht zeichnen. Der Oberösterreicher Günter Mayer, der sich Peng nennt, hat einen genialen Zeichenkurs entwickelt, der kürzlich in Großbritannien ausgezeichnet wurde. Monatelang wird man kritzeln und experimentieren wollen. Es beginnt mit dicken Pinselstrichen und zwei U für Kopf und Nase. Und endet bei Bären, die wie Boxer aussehen.

Peng:
„Ich kann (nicht) zeichnen“
 DuMont Verlag.
160 Seiten.
20,60 Euro
KURIER-Wertung: *****

Die Zeichnung oben stammt aus dem Buch

 

Karpfen werden  nicht gefangen

Angeln. Siegfried Lenz („Deutschstunde“) war ein leidenschaftlicher Angler. Aber Karpfen angelte er nicht. Er fütterte sie. Beobachtete sie. Streichelte sie. Karpfen wurden seine Freunde, und hier singt er ihnen posthum sein Loblied, u.a. mit einem Märchen, das noch nie zu lesen war: vom Karli, der eine Schwimmblase will. Ein kleines, beschützendes, liebendes Buch. Tut gut.

Siegfried Lenz:
 „Florian, der Karpfen“
 Hoffmann und Campe Verlag.
80 Seiten.
15,95 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Was blieb, ist Unterwerfung

Sacher-Masoch. Er war ein gefeierter Schriftsteller aus Lemberg. Aber sein Name hat nur als „Masochismus“ überlebt, weil Sacher-Masoch über den Lustgewinn durch sklavische Unterwerfung in der Novelle „Venus im Pelz“  schrieb. Sein Leben verlief turbulent (und schmerzhaft). Es hätte nicht unbedingt sein müssen, dieses Porträt mit erzwungen originellen Ideen auszugestalten.

Egyd Gstättner:
 „Leopold der Letzte“
 Picus Verlag.
350 Seiten.
22 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Wir alle sind Seifenspender

Graphic Novel. Er steht hier und wartet. Von allein macht er nichts. Ihm fehlt der eigene Antrieb. Er braucht Druck.  Danach fühlt er sich leer ... Das ist ein Seifenspender, so menschenähnlich. Zeichnerin Pascale Osterwalder schuf mit Bleistift eine große Seifenoper, in der es um schlechte Arbeitsbedingungen – und einen guten Freund geht: eine Zahnpastatube. Reicht eh.

Pascale Osterwalder:
 „Daily Soap“
 Luftschacht Verlag.
134 Seiten.
18 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Ein falscher Menschenfresser

Wien. Da wird ein braver Familienvater beim Renovieren seiner Wohnung von der schweren Eingangstür fast erschlagen, Polizei kommt – und schimpft den Halbtoten und sperrt ihn ein: Ein Menschenfresser sei die „brutale Sau“. Das ist einmal etwas anderes.  Wilfried Oschischnig: Den Namen des Klagenfurters in Wien und seinen zweiten Wiener Krimi nach "Todesschmäh" merkt man sich.

Wilfried Oschischnig:
„TodesGrant“
CW Niemeyer Verlag.
384 Seiten.
13 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Umberto Eco über Ammenmärchen

Verschwörung. Warum haben Lügengeschichten so großen Erfolg? Umberto Eco ( 2016) antwortet von „drüben“ (denn wieder einmal sind einige seiner alten Vorträge zum Buch geworden): Weil sie ein Wissen verheißen, das nicht allen zugänglich ist. Eco mag aber auch Pasolinis Ansicht: Weil Verschwörungen von der Last befreien, sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen.

Umberto Eco:
 „Verschwörungen“
 Übersetzt von Burkhart Kroeber und Martina Kempfer. Hanser Verlag.
128 Seiten. 12,95 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Tunnel. Punkt. Dunkel. Punkt.

U-Bahn. Schreckliches Buch: „U-Bahn schnell.“ (Absatz) „Tunnel.“(Absatz).  „Dunkel.“ (Absatz)  Immer nur Satzfetzen. Dabei hat Timur Vermes schon „richtige“ Romane zusammen gebracht. Aber mit „U“ hat er einen Thriller  für Leute versucht, die mit WhatsApp-Nachrichten mehr als genug haben.  Eine U-Bahn, die es nicht gibt,  bleibt nirgendwo stehen, und das kann uns egal sein.

Timur Vermes:
 „U“
 Piper Verlag.
160 Seiten.
15,95 Euro
KURIER-Wertung: *

 

Er kommt auch nach dem Tod

Hund. Helme Heine, der Berliner in Neuseeland, hat es geschafft, Kinder im neuen Bilderbuch mit dem Tod zu konfrontieren, und es könnte sein, dass die Großen angesichts der Zeichnungen Tränen in den Augen haben, während die Kleinen beruhigen: Aber ER kommt doch eh im Traum auf Besuch!  ER ist der Hund RamTamTam, der beste Freund eines sehr lieben Buben.

Helme Heine:
 „Mein Freund RamTamTam“
 Diogenes Verlag.
36 Seiten.
18.95 Euro
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Immerhin fraß sein Hund Kakteen

Romy. Günter Krenn lässt nichts aus: Nach Biografien von Romy Schneider, Alain Delon, Karlheinz Böhm nimmt er sich jetzt noch einmal Romy Schneider gemeinsam mit Mutter Magda und Großmutter Rosa Albach-Retty vor. Und vergisst nicht auf Romys Vater, dem  im Alter fad war, aber immerhin hatte er einen Hund, der gern Kakteen aß. Liest sich gut. Liest man gern.

Günter Krenn:
„Romy spielt sich frei“
Mit erstmals veröffentlichten Fotos. Molden Verlag.
304 Seiten. 35 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Der Einbrecher schenkt eine Uhr

Fantasie. Einen solchen Einbrecher lässt man sich gefallen: Er wäscht das Geschirr ab und lässt eine goldene Uhr zurück. Sie kann vor Gefahren warnen. Sie kann fliegen. Wer baut so was? Wird wohl ein Japaner sein. Wir sind im viktorianischen London. Vergangenheit trifft Zukunft. Die Fantasie der Britin Natasha Pulley sprudelt nur so, versiegt dann langsam – aber: Sehr unterhaltsam.

Natasha Pulley:
„Der Uhrmacher in der Filigree Street“. Übersetzt von Jochen
Schwarzer. Verlag Klett Cotta.
448 Seiten. 24,95 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Neapel bedeutete früher Durchfall

Italien. Eine Reise nach Italien bedeutete schlechtes Essen: stinkendes Olivenöl, zähes Fleisch,  harte Makkaroni. In Neapel bekam sowieso jeder Tourist Durchfall, auch Goethe litt. Noch vor 150 Jahren galt Italiens Küche für Besucher  als  ungesund. Wie der fremde Geschmack heimisch wurde, ist ein Leseabenteuer. Ebenso, wie sich Italien anpasste und Nudeln leider weicher kocht.

Dieter Richter:
„Con gusto“
 Wagenbach Verlag.
165 Seiten.
20,95 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Zur Beruhigung eine Trottellumme

Seevögel. Niemand anderer schafft es, im Meer, in der Luft und auf dem Land zu Hause zu sein: Vögel  des Atlantik werden beobachtet. Die Erzählungen handeln von großer  Schönheit (Albatros) und Grausamkeiten – Geschwistermord,  Kükenvergewaltigung (Tölpel).  Zur Beruhigung: Trottellumme können 60, 70, auch 180 m tauchen, und sie putzen gegenseitig das Gefieder.

Adam Nicolson:
„Der Ruf des Seevogels“.
 Übersetzt von Barbara Schaden.
Liebeskind Verlag.
384 Seiten. 37,10 Euro
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Liebeserklärung an Baozi, Momo, Manu

Teigtaschen. Und zwar die asiatischen. Dieser Koch-Comics ist eine Freude. Und ein Gewinn: Man weiß, was genau „drinnen“ ist in den eigenen Baozi, Momo, Wan Tan, Manu, Gyoza ... . Zuerst ein Kapitel über den Teig (600 Gramm Universalmehl, Salz, kochendes Wasser). Wie man kocht/brät/dämpft. Dann die  Füllungen (scharfes Lamm), am Ende die Saucen. Aber eigentlich: Ende nie.

Hugh Amano und Sarah Becan:
„Dumplings für alle!“
Übersetzt von Ulrike Becker.
Kunstmann Verlag.
208 Seiten. 24,70 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Die Architektin baut Spannung auf

Psychothriller. „Die Tür des Kühlschranks knackte.“ 20 Seiten später knackt sogar ein Knie. Aber es wird  viel spannender: Ein blinder Maler betäubt seine Aktmodelle und bringt sie um, wenn das Bild fertig ist. Das wissen die Leser  gleich zu Beginn – nein, das glauben sie zu wissen. Die pensionierte Architektin Ingrid J. Poljak hat wieder, Stock für Stock, einen veritablen Thriller gebaut.

Ingrid J. Poljak:
„Blinde Bilder“
Verlag Tredition.
352 Seiten.
22,70 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Komposition mit Rattengift

Rattengift. Nominiert für den Österreichischen Buchpreis. Sophie Reyer ist auch Komponistin, und in diesem Roman – inspiriert von der historischen Wiener Rattengift-Serienmörderin  Marek – interessieren sie die äußeren und inneren Töne von ihrer schönen Clara. Auffällig hörbar ist nur, wenn sie Kiwitt, kiwitt – den Ruf des Kiebitz – singt. Aus dem Stoff wurde alles herausgeholt.

Sophie Reyer:
„Clara und ihre Morde“
Emons Verlag.
240 Seiten.
12,95 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Es braucht Hilfe zum Aufatmen

Gedichte.  „Auch in ungeweinten Tränen /  liegt oft ein großer Schmerz“ – und das gerade jetzt, und gerade bei Kindern. Diese Gedichte helfen dagegen. Und helfen, Mut und Freude wiederzufinden. Sie laden 4- bis 16-Jährige  zum Aufatmen ein, zum Leichtsein und zum Lachen. Und eh eigentlich auch die Großen, die sind da mitgedacht. Das braucht es jetzt.   ley

Lena Raumbaum Katja Seifert:
„Mit Worten will ich dich umarmen“
Tyrolia.
96 Seiten.
16,95 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Große Blonde hat er keine gesehen

Reportagen. Seltsam, es gab keine Nazis ... George Orwell war 1945 als Reporter in  Köln, Nürnberg, Salzburg, und alle, denen er begegnete, hatten nicht oder selbstverständlich unter Zwang an Krieg und Terror mitgemacht. Auch fand er keine großen Blonden, sondern kleine Leute mit dunklem Haar, wie überall halt. Orwell beobachtete nicht nur, er dachte auch über die Zukunft nach.

George Orwell:
„Reise durch Ruinen“
Übersetzt von Lutz-W. Wolff
Verlag C.H. Beck.
111 Seiten. 16,95 Euro
KURIER-Wertung: ****

 

Sehnsuchtsmusik von einem Drachen

Fabel. „You Can’t Always Have What You Want“ sang  Danny Kaye, und die Rolling Stones singen „ ... Get What You Want“; und in diesem Kinderbuch (mit viel Text) wird es von einem regenbogenfarbenen Drachen erklärt, der sich mit Sehnsüchten auskennt. Dass man manchmal einem Trugbild nachläuft. Dass man Liebe nicht erzwingen kann.   Man lässt sich gern etwas von ihm sagen.

Sylvia Grünberger:
 „Drachenflug“
Illustriert von Karina Pfolz.
Karina Verlag.
224 Seiten. 16,95 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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