"Regenbogenweiß": Weinen ist nicht immer so ansteckend

"Regenbogenweiß": Weinen ist nicht immer so ansteckend
Friederike Gösweiners Roman über das Ereignis, das eine Familie zur Glückssuche zwingt

Jemand „weint“. Und dieses Wort „weinen“ liest sich oft, zu oft wie: da geht jemand; oder er kaut etwas; oder schläft. Also nichts Besonderes, das Aufmerksamkeit verdient.

Die Tirolerin Friederike Gösweiner - Foto oben - meint es ernst. Weint jemand in „Regenbogenweiß“, ist es wesentlich und echt und verständlich und ansteckend auch noch.

Und man kann auch nicht flott umblättern, wenn hier eine Familie versucht, neue Wege zu entdecken, um miteinander zu reden ... und irgendwann sogar wieder miteinander lachen zu können.

Innehalten ist notwendig (und wird ganz automatisch geschehen).

Der Ehemann bzw. Vater, ein bekannter Physiker und Uniprofessor, ist soeben beim Ausräumen des Kofferraums zusammengebrochen und gestorben. Herzinfarkt.

Gösweiners Roman erzählt, wie drei Leben geordnet werden müssen. Denn nichts hat nun mehr Gültigkeit ... Zuerst aber müssen die Phasen der Trauer durchgemacht werden – jede(r) macht es anders, es gehört dazu, dass die „Kinder“, 35 Jahre alt die Tochter, um die 30 der Sohn – Zorn für den Vater empfinden: Denn wieso hat er keine Vorsorgeuntersuchung gemacht?

Ihre Mutter /die Witwe wird währenddessen von Schuldgefühlen geplagt: Hat sie bei der Herzmassage etwas falsch gemacht?

Sensationell

Ein Ereignis und die Folgen.

Ein Unglück und die Frage nach dem Glück.

Orientierung finden: zu einer Zeit, in der die Welt so verrückt ist: Attentat auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo im entfernten Paris – und bei uns in Österreich: ein Ort will verhindern, dass 80 Asylanten in einem verfallenen Hotel am Rand untergebracht werden.

Die Tochter: Sie muss gar nicht als Doktor der Philosophie arbeiten. Sie kann auch als Aushilfskindergärtnerin.

Der Sohn: Er muss nicht als Kosmologe in Kanada forschen. Er kann sich auch nach Kreta zurückziehen..

Daran ist nichts sensationell. Das Sensationelle am Roman ist: Man kann von ihm nicht lassen, selbst dann nicht, wenn die Witwe bloß sagt, was Witwen fern der Literatur zu ihrem Toten sagen:

„Siehst du, so geht das Leben weiter. Ich stehe hier ... und du bist tot und kommst nie wieder.“

Das ist einfach „nur“ echt. Wie die Tränen.


Friederike
Gösweiner:

„Regenbogen-
weiß“
Droschl Verlag.
344 Seiten.
24 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

Kommentare