Margit Schreiner wieder privat, das ist ihre Kunst

Margit Schreiner wieder privat, das ist ihre Kunst
"Mütter. Väter. Männer. Klassenkämpfe": Heranwachsende sollte man in Ruhe lassen

Was sich in der Kindheit aufgestaut hat – jetzt explodiert es, und das nennt man dann: Pubertät.

Täglich will man im Boden versinken.

Die Linzerin Margit Schreiner arbeitet sich an ihr Alter heran. Auf „Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen“ folgt „Mütter. Väter. Männer. Klassenkämpfe“.

Und ehrlich, wenn auch manches nicht so sehr zu interessieren vermag, so sollte es zumindest von Schreiner aufgeschrieben worden sein. Dann geht das schon.

Schreiner ist privat, und genau das ist ihre Kunst. Im neuen Erinnerungsbuch fürchtet das kleine Mädchen nicht mehr, vom Zupfen könnten ihre Schamlippen lang werden. Denn mittlerweile ist Margit elf, zwölf und hat erstmals die Regel – wobei sie vor allem fürchtet, dass ihre Mutter sie umarmt: „Jetzt bist du eine Frau.“

Und genau das geschieht. Traumatisch wurde es, als Margit von ihr eine Halterung aus Leinen mit Watte überreicht bekam, einen Leibgürtel, eine Art Zaumzeug.

Wie immer bei Margit Schreiner ist nichts peinlich und nichts banal. Das ist Menschsein; und über Menschen darf gelächelt werden.

Verwechslung

Margit Schreiner pubertierte in den 1960er Jahren. Nahm man damals an Demonstrationen teil, drohte Schulverweis. Schüler(innen), die von Lehrern im Linzer Café Central gesehen wurden, wo leichter Wind nach Freiheit wehte, mussten sich zur Strafe auf regelmäßige Prüfungen gefasst machen.

Erwachsene durften nicht kritisiert werden. Demokratie in der Schule bedeutete bestenfalls: Man durfte das Klassenzimmer gestalten – und Zeichnungen aufhängen bzw. Pflanzen ins Fenster stellen.

Monologisiert wird über die Verwechslung von Orgasmus mit Organismus, über den Kontakt mit linken Schülergruppen, über ersten Sex mit einem Gitarristen in Caorle, über verbotenes Sitzen auf den Lehnen der Parkbänke im Hummelhofwald ...

Wobei die Linzerin auch ganz ernst sein kann :

„Einen heranwachsenden Menschen sollte man in Ruhe lassen. Er soll so lange schlafen können, wie er will, und wenn er sein Zimmer nicht aufräumen, die Zähne nicht putzen und die Unterhose nicht wechseln will, so sollte man das akzeptieren. Es gibt schließlich wichtigere Dinge im Leben.“


Margit
Schreiner:

„Mütter. Väter. Männer. Klassenkämpfe“
Schöffling Verlag.
216 Seiten.
22,95 Euro

KURIER-Wertung: ****

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