Marc Carnals Langgedicht „Die Hochzeit“ erzählt von einer „Traumhochzeit“, die aus dem Ruder läuft. Grund: Ein Bräutigam ohne Braut, dessen horoskophörige Mutter – Mars-Quadrat! Ihr schwant Übles! – und ein gleichzeitig über- wie unterforderter Alleinunterhalter, der Schmuselieder neben dem WC zum Besten geben soll. Außerdem ein versoffener Wirt, der neben Alkohol allerhand Medikamente einwirft, und diverse Hochzeitsgäste, die einander nicht leiden können: „Am Steuer sitzt der Onkel Kurt, sein dicker Wanst quillt unterm Gurt. Daneben seine Frau Luise, dazwischen ihre Ehekrise.“
Ein großes Vergnügen zum Selberlesen ebenso wie zum Vorlesen stellt diese in Paarreimen verfasste Chronik eines katastrophalen Abends dar. Das dachten sich bestimmt auch die Schauspieler, die das gleichnamige, preisgekrönte Hörspiel einsprachen – ein Downloadlink ist im Buch dabei.
Instagram? Geh sch...
Carnals sprachliche Volten, seine Originalität und seine schrägen Ideen sind eine Riesenhetz. Schlau sind sie außerdem und, wenn man so will, auch durchaus gesellschaftskritisch.
Durch den Kakao gezogen wird nicht nur die geschmacklose Hochzeitssuiten-Einheits-Deko samt „Fake-Keramik-Dekoschale“, sondern insgesamt der völlig übertriebene Zwang zur perfekten, instagram-tauglichen Inszenierung der „Traumhochzeit“. „Valentin, schau nicht so finster ... ich lade doch die Pics auf Insta“, bellt die Freundin der Braut den Bräutigam an. Was tut der Angesprochene? „Valentin denkt zwar ,geh scheißen‘, dennoch tut er wie geheißen.“ Als hätte man das nicht exakt so selbst schon erlebt.
Dazu die routinemäßige Sauferei und der stressige Gastgewerbe-Alltag, in dem der Wirt täglich seine „zehn bis vierzehn Bier“ trinkt und sich ob seines chronischen Rückenleidens dazu noch verschreibungspflichtige Schmerzmittel und Herztabletten in den „Schlund wirft.“ Die Wirtin weiß früh, was das für sie bedeutet.
All das ist eigentlich nicht zum Lachen – man tut’s trotzdem. Ein hinterlistiges Sittenbild ist Marc Carnal da gelungen. Dasselbe lässt sich über die Illustrationen von Raffaela Schöbitz sagen. Liebevoll und detailliert, sind ihre Bilder nur auf den ersten Blick „herzig“. Hier ein Katzerl, dort ein Katzerl. Wer genau schaut, sieht das blutige Messer am idyllischen Waldrand.
Für ihre Bilderbücher und Graphic Novels wurde Raffaela Schöbitz bereits mehrfach ausgezeichnet und dass der gebürtige Schweizer Marc Carnal genial lustig, bös und schlau schreiben kann, ist auch keine wirkliche Überraschung. Er ist unter anderem Kolumnist für FM4, Die Tagespresse und schreibt für die ORF-Satiresendung „Willkommen Österreich“. Vor Kurzem gab er mit dem Programm „Gott live“ sein Comedy-Debüt.
Der KURIER schwärmte und schwärmt auch diesfalls: Mit „Die Hochzeit“ ist Marc Carnal eine arglistig-rasante Feier von Sprache geglückt. Angelehnt an einen Text des deutschen Lyrikers, Moralisten und Satirikers Max Goldt richten wir Marc Carnal an dieser Stelle aus: Deine Reime sind feine Reime!