Louis Begley: Sex im Alter als Revanche für den Tod

Louis Begley: Sex im Alter als Revanche für den Tod
Nach drei misslungenen Versuchen nun kein Krimi mehr, sondern „Hugo Gardners neues Leben“

Der Amerikaner Louis Begley („Lügen in Zeiten des Krieges“, „Schmidt“) hat mit drei entsetzlich schlechten Krimis seinen guten Ruf aufs Spiel gesetzt.

Im neuen Roman „Hugo Gardners neues Leben“ kommt immerhin kein serbischer Auftragskiller mit Narbe auf der linken Wange vor, der Sachen sagt wie: „Du Stück totes Fleisch, hör auf mit Scheiß!“

Ist das nicht herrlich?

Millionäre

Augenzwinkernd und flott fließend ist Begley wieder bei „seinen“ alten Reichen in New York.

Hugo Gardner trinkt gern, und besonders gern trinkt er teuren Rotwein aus dem Pomerol und aus Saint-Estèphe.

Er hat eine Wohnung in Manhattan und ein Haus auf Long Island mit Angestellten. Gardner war nämlich Journalist, Auslandskorrespondent in Paris fürs Time Magazine. Journalisten sind bekanntlich Millionäre, hurra.

Hugo Gardner ist 84.

Louis Begley ist 87.

Er schließt sich dem unerreichten Kollegen Philip Roth an, der meinte: Mit Sex übt man Vergeltung am Tod.

Vor allem im Alter ist Sex eine Revanche für die Idiotie, sterben zu müssen.

Gleich wird Hugo Gardner Sex haben, mehrmals hintereinander, und er hat Prostatakrebs, den er nicht behandeln lassen will, denn irgendwann kommt sowieso etwas, das man nicht behandeln kann ...

Auch in diesem Punkt ist Philip Roth gegenwärtig: Ausgelassenheit und tödlicher Ernst sind seine Freunde. Louis Begleys Roman hat beides.

Tränensäcke

Nach vierzig Ehejahren lässt seine Frau Hugo Gardner über Anwalt mitteilen, dass er ein Zombie ist. Langweilig und hässlich. Valerie ist erst knapp über 60 und hat einen französischen Geliebten, den sie jetzt heiraten will.

Hugo ist überrascht von der Scheidung. Er ahnte nichts. Aber auch seine Tochter sagt ihm ins Gesicht, dass er Tränensäcke hat und Altersflecken und sonst nicht viel. Na gut. Dann reist Hugo halt nach Paris und nimmt Kontakt zu Jeanne auf, die vor der Ehe mit Valerie seine Freundin war.

Sie hat seit Jahren einen dementen aristokratischen Ehemann zu Hause, und da stören Hugos Tränensäcke und Altersflecken gleich viel weniger.

Haben sie nicht Sex miteinander, darf Hugo ihre Brustwarzen massieren.

Interessant: 2013, in Begleys Roman „Erinnerungen an eine Ehe“, wurde eine Frau, Lucy, von ihrem Mann abserviert. Daraufhin muss sie, um weiterleben zu können, Lügen über ihre frühere Ehe verbreiten. Dass ihr Ex ein Monster war, so in der Art.

Da hat es ein Mann bei Begley viel besser.

Der Roman ist höchst agil, es gibt allerdings schon Stellen, bei denen man sich fragt, ob man nicht eine Lesepause einlegen und die Pflanzen im Garten gießen sollte. Solches geschieht etwa, wenn da steht: Auf der Fernstraße 27 herrscht viel Verkehr, vor allem Freitag und Samstag, und Hugo ist deshalb gern auf der Straße 114 unterwegs.

Die Pflanzen danken es.

 

Louis Begley: „Hugo Gardners neues Leben“
Übersetzt von
Christa Krüger.
Suhrkamp.
235 Seiten.
24,95 Euro

KURIER-Wertung: ****

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