Lehman Brothers: Die 164 Jahre und vier Tage bis zum Untergang

Lehman Brothers: Die 164 Jahre und vier Tage bis zum Untergang
Tolle Typen oder Schurken? Der Italiener Stefano Massimo erzählt von den Machtspiele in Versen ... aber keine Angst!

Das Wort „Gier“ kommt nur ein Mal vor, auf Seite 300.

Vielleicht will man ja lieber von einer gewaltigen Leistung sprechen.

Man hat, wie so oft, die Wahl: Tolle Typen oder Schurken?

Als die Brüder Lehman nach den Sezessionskrieg – Mayer Lehman unterstützte von Alabama aus den Süden, Emmanuel von New York den Norden – den Eisenmarkt, den Ölmarkt, Kaffeemarkt und Tabakmarkt beherrschten, redete Emanuel Lehman trotzdem vom lächerlichen Nullkomma irgendwas Gewinn. Es waren bereits Millionen Dollar.

Aufsaugen

Und er redete davon, es dürfe nicht sein, dass in der Synagoge Lehmans hinter Goldmans sitzen müssen.

Die Investmentbank Goldman (und Schwiegersohn) Sachs macht heute einen Jahresumsatz von 60 Milliarden Dollar.

Die Investmentbank Lehman Brothers musste 2008, als es keine Lehmans mehr an der Spitze gab, nach Immobilienspekulationen Insolvenz anmelden ...

 

Der Italiener Stefano Massimo hat 164 Jahre und vier Tage in „Lehman Brothers“ komprimiert. In einen Versroman. Aber es ist wirklich nicht notwendig, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen.

Es liest sich wunderbar. Manchmal wird eine Strophe wiederholt, dann wird sie zum Gebet (einer Religion, die Geld heißt).

Die Erzählung wird nie müde, rasch fließt sie – trotz 800 Seiten –, sie ändert kurzzeitig die Gestalt, wird Comic und Zahlenreihe, und sie elektrisiert.

(Zitat) Emanuel schreit: „Hör mir zu, Mayer!

Lehman Brothers ist wie ein Schwamm

es muss alle Geschäfte aufsaugen, die es findet

immer nur zusehen können wir uns nicht leisten!„

Wir müssen aufsaugen!“

Auf dem Seil

Dabei ging es anfangs vergleichsweise entspannt zu, als die Brüder aus dem Nichts bzw. aus Bayern kamen. Lächeln mussten sie vor Abschluss neuer Geschäfte, manierlich sein, und Sklaven, die gut kochen konnten, mussten sie haben.

(Vor allem von den Sklaven auf den Plantagen haben sie profitiert. Im Buch wird das nicht vergessen. Im Theaterstück, das dem Buch folgte, allerdings schon.)

Später, als die zweite und die dritte Generation übernahm, war der Markt Macht, es fehlte ein alter bremsender Lehman, und Macht ist ein zusammengekniffener Mund beim Verhandeln.

Wollte ein junger Lehman nicht mitmachen, wurden ihm Regeln eingetrichtert wie: Es ist verboten, anderen zu vertrauen. Denn Handel war Weltkrieg.

In den Bau der Eisenbahn wurde investiert, der Panamakanal wurde finanziert, die Filme „King Kong“ und „Vom Winde verweht“, der Versandhandel, die Mickey Mouse ... und in der Wall Street steigt Solomon Paprinskij jeden Tag aufs Hochseil. 30 Jahre macht er das, auch im Alter. Sein Absturz wird wahrscheinlicher .– wie ein Absturz der Börsenkurse. Wie der Absturz überall, wenn der Boden unter den Füßen verloren gegangen ist.


Stefano Massini:
„Die Lehman Brothers“
Übersetzt von Annette Kopetzki. Hanser Verlag. 848 Seiten.
36 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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