Karl Ove Knausgård: Streifzug mit einsamen Wölfen

Karl Ove Knausgård: Streifzug mit einsamen Wölfen
Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit: Jeder hat seine eigene Realität

Das diffuse Gefühl, dass sich etwas zusammenbraut, macht sich in Karl Ove Knausgårds neuem Roman schon nach wenigen Seiten breit. Der junge Syvert kommt vom Militärdienst nach Hause, orientierungslos, auf der Suche. Daheim in Norwegen findet er seine kraftlose Mutter und seinen 10-jährigen Bruder, der mit viel Intelligenz und wenig Feingefühl für Unaussprechliches ausgestattet ist. Der Vater, längst tot, die Erinnerung an ihn verblasst. Bis Syvert sie aus alten Kisten auspackt, die er beim Aufräumen der Garage findet. Darunter Briefe aus Moskau. Das gar nicht mehr diffuse Gefühl, dass seine Version vom Leben seines Vaters nur eine von vielen ist, ist nicht mehr zu leugnen.

Jeder schafft sich seine eigene Realität. Die Schnittmengen mitunter überschaubar, trotzdem alles in Verbindung, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar. Mitunter muss man sich eingestehen, nicht einmal zu sich selbst ehrlich zu sein. Das nennt man wohl Leben.

Karl Ove Knausgård: Streifzug mit einsamen Wölfen

Karl Ove Knausgård: „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“  
Luchterhand. 1.050 Seite,  30,90 Euro

KURIER-Wertung: Fünf von fünf Sternen

Gegen die Tatsache, dass an dessen Ende der Tod steht, wurde im Moskau der 1920er-Jahre demonstriert. „Was ist all unsere teuer erworbene Erfahrung wert, wenn wir ihr einfach nur wegsterben? All unsere Erlebnisse? Wofür waren Sie da?“, philosophiert Knausgård in „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“. Und holt aus. Bis zum russischen Wissenschafter Fjodorow, der den Tod nicht nur stoppen, sondern gleich die Wiederbelebung aller bereits gestorbenen Menschen wollte. Von Forschern in der Sowjetunion, die 1927 abgeschnittene Hundeköpfe 24 Stunden am Leben halten und von tiefgefrorenen Menschen, die wieder zum Leben erweckt werden wollen. Der norwegische Autor zitiert Rilke damit, dass wir den Tod mitten in uns tragen. „Kinder haben einen kleinen Tod in sich, alte Menschen einen größeren Tod.“ Im Buch ist er ein zentrales Element.

An einer Stelle übergibt sich eine Wissenschafterin in einem Waldstück. Schuld sind die halluzinogenen Pilze, die die junge Frau quasi im Dienste der Wissenschaft gegessen hat. Weil sie eins werden wollte mit dem Wald. Erforschen möchte, ob die Bäume miteinander kommunizieren, „ob zwischen den Pilzen und den Bäumen nicht noch etwas vorgeht als der bloße Austausch von Nährstoffen“.

Fünf Ich-Erzähler, fünf Perspektiven, und die zentrale Frage, wie alles zusammenhängt und was der Sinn von Leben und Tod ist.

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