John Wray erzählt: Wer hinter „Er-der-lauert“ steckt, ist egal

John Wray erzählt: Wer hinter „Er-der-lauert“ steckt, ist egal
Der "Kärntner Amerikaner" probiert Kurzgeschichten aus. "Madrigal" heißt das Buch

Eines geht ins andere über. Was mit einem misslungenen Telefongespräch zwischen einer psychisch auffälligen Schwester und einem psychisch auffälligen Bruder beginnt, führt in die „Feuchtigkeit“ zu einem schönen Schlangenmonster, das mit seinem Gefährten zu flattern beginnt und wegfliegt.

Mit dieser Erzählung – „Madrigal“ ist der Titel, wegen der rhythmischen Form, vor allem aber weil die Schwester, eine Schriftstellerin, so heißt – hat John Wray beim Bachmann-Wettlesen den hoch dotierten Deutschlandfunk-Preis gewonnen.

Es ist die Auszeichnung für ein Nachwuchstalent; was wie ein Scherz klingt:

Wray – Mutter Kärntnerin, Vater Amerikaner – hat zuletzt seinen fünften Roman „Gotteskind“ geschrieben. Über eine junge amerikanische Frau im Lager der Taliban in Afghanistan.

Selbstverbannung

Er kommt ohne einfache, billige Antworten aus.

Die Frau fragt: „Warum erschafft Gott manche Dinge leer und andere Dinge voll, voll und vollkommen? So habe ich mich fast mein Leben lang gefühlt. Wie ein leeres Etwas ...“

Von der Klagenfurter Jury hieß es, der Text „Madrigal“ habe Anspielungen auf Hitler und Trump, er sei brillant.

Man darf aber trotzdem anmerken, dass diese raffinierte Konstruktion niemanden weiterbringt.

Ob mit Er-der-nicht-genannt-werden-darf Hitler gemeint ist und mit Er-der-lauert Trump, ist sowas von egal.

Raffiniert war besonders, wie zielgerichtet John Wray auf den Bachmannpreis hingeschrieben hatte.

Jetzt ist „Madrigal“ die erste von acht Erzählungen im gleichnamigen Buch. Sieben bieten mehr Geschichte, und immerhin zwei, drei machen etwas mit den Leserinnen / Lesern: Ganz bestimmt jene vom alten Vater, der sich ein kleines Haus neben seinem großen Haus baut, um sich dort in Selbstverbannung zu begeben und zu sterben.

Es sind Proben, die Wray für die kleinere Form abgibt. Es ist ein Ausloten, und zwar erstmals nicht Englisch, sondern Wray hat auf Deutsch geschrieben: Wie er Paranoia darstellen kann. Wie man mit einem sprechenden Elefanten umgeht. Wie ein Kind einen Pädophilen verstummen lässt. Und er will versuchen, uns mitzuteilen, dass Michelangelo eine Erbse war.

Nein, das schafft er unmöglich.

 

John Wray:
„Madrigal“
Rowohlt Verlag.
144 Seiten.
22,90 Euro

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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