Isabel Allende erzählt von Liebe, Bürgerkrieg und Apfelstrudel im Urwald

Isabel Allende granted the 'doctor honoris causa' by the UIMP in Madrid
Die Grande Dame des lateinamerikanischen Historienromans erzählt einmal mehr große Geschichte mit einem Hauch Kitsch.

Wo Isabel Allende draufsteht, ist meistens auch Isabel Allende drin. Lateinamerikanische Geschichte plus Familiendrama. Genau recherchiert, spannend erzählt und ein bisschen kitschig. Aber wirklich nur ein bisschen und nicht dermaßen, wie es das Cover von Allendes neuem Roman vermuten lässt. Rosa Wolkenungetüme hat „Mein Name ist Emilia del Valle“ nicht verdient.

Zwar ist die eine oder andere Figur, etwa die Mutter der Protagonistin, eine Beinahe-Nonne mit engelsgleichen Zügen, die mit dem allmählichen Verschwinden der engelsgleichen Züge zunehmend bigott-schrullig wird, allzu routiniert gezeichnet, aber dafür ist der historische Hintergrund differenziert geschildert und Erkenntnisgewinn ist auch für Leser, die Allende seit „Das Geisterhaus“ begleiten, gegeben.

Ungleich zu Allendes Debüt geht es hier aber nicht um ein ganzes Jahrhundert, sondern vor allem um den chilenischen Bürgerkrieg 1891 und die Amtszeit des Präsidenten José Manuel Balmaceda (1840–1891), an deren Beginn der Salpeter-Export stand, der dem Land Einnahmen, aber auch Konflikte mit den Nachbarn bescherte.

Ein adeliger Hallodri

Icherzählerin des Romans ist Emilia del Valle, die 1866 in San Francisco geboren wird und im Einwandererviertel Mission District aufwächst. Ihre Mutter ist Molly Walsh, die Tochter irischer Einwanderer. Sie war drauf und dran, Nonne zu werden, als ihr ein adeliger chilenischer Hallodri über den Weg lief und sie zur alleinstehenden Mutter der kleinen Emilia machte. Emilia wird den Hallodri später wiedertreffen, vorerst wächst sie in einem liebevollen Zuhause mit Mutter und Stiefvater („Papo“) auf. Letzterer fördert sie, sie darf lernen und schreiben und veröffentlicht unter einem männlichen Pseudonym Schauergeschichten aus der Nachbarschaft, inspiriert von der lebhaften Fantasie der Mutter.

Die leidenschaftliche Feministin Isabel Allende stattet ihre Protagonistin mit allerhand Merkmalen weiblichen Kampfgeistes aus und so schafft es diese bereits 1890 in die Redaktion einer Tageszeitung und wird dank Wagemut und Sturheit Kriegsreporterin in Chile – wo sie ihren Erzeuger wiedertrifft und sich in einen Journalistenkollegen verliebt. Die Lovestory ist Geschmackssache. Schöne Pointen liefert die Familie von Emilias leiblichem Vater. Der adelige Nichtsnutz hat eine bärbeißige Tante, Paulina, die sich weder von Bischöfen noch Generälen und schon gar nicht von irgendwelchen Benimmvorschriften beeindrucken lässt. Ob Präsident oder Revolutionär, für sie sind alle eins und an ihr lässt sich die Komplexität der chilenischen Gesellschaft treffend ablesen.

Der letzte Teil des Romans führt in den Süden Chiles, wo wenige Jahre zuvor der letzte große Aufstand der indigenen Mapuche niedergeschlagen wurde, deren Land man an europäische Siedler auch aus Österreich vergab – Emilia wird hier Apfelstrudel essen. In dieser geheimnisvollen, auch als „Garten Eden“ bezeichneten Wildnis kann man sich leicht verlieren. Doch das eigentliche Ziel ihrer Reise hat Emilia del Valle da schon längst erreicht: Jeder kennt ihren Namen.

46-215494355

Isabel Allende:
„Mein Name ist Emilia del 
Valle“. Ü.:  Svenja Becker. 
Suhrkamp.
359 S. 29,95 €