Neuer Roman: Isabel Allende muss sich nicht schämen

"Dieser weite Weg": Als Pablo Neruda ein Schiff charterte, um Flüchtlinge nach Chile zu bringen ...

Als Isabel Allende - Foto oben -  ihren Roman  „Dieser weite Weg“ in Madrid vorstellte, sagte sie:
„Ich muss mich nicht dafür schämen, dass ich mehr Bücher verkaufe als andere ...“ Bisher waren es angeblich 75 Millionen.
„... Ich denke nicht ans Geld, meine Aufgabe ist zu schreiben!“
Als Journalistin  hat sie Pablo Neruda interviewt. Er kannte ihre Reportagen und nannte sie „die schlechteste Journalistin“ des Landes. Aber er mochte ihren Humor und empfahl dringend, Schriftstellerin werden.
Was mit dem „Geisterhaus“ 1984 geschah. Da war Neruda elf Jahre tot.
Mit „Dieser weite Weg“ drückt Isabel Allende auch ihre Wertschätzung für den Dichter aus: Er hat 1939 den Dampfer SS Winnipeg gechartert, um 2.220 Spanierinnen und Spanier, die auf der Flucht vor Franco waren, nach Chile zu bringen.
Flucht: Als das Militär 1973 putschte und Salvador Allende ums Leben kam – ein Cousin ihres Vaters –, ging die gebürtige Peruanerin, die in Chile aufgewachsen war,  mit Ehemann und zwei Kindern ins Exil nach Venezuela, später zu Ehemann zwei nach Kalifornien (wo sie mit ihrem dritten Partner blieb).

Direkt aufs Herz

Isabel Allende, die in wenigen Tagen 77 wird, spürt „keine Wurzeln. Aber ich fühle, dass meine Heimat  Chile ist. Sterben werde ich in den USA, wo ich immer eine Ausländerin bin.“
In „Dieser weite Weg“ ist  Migration, ist Flucht das Thema. Die Hilfe für die Geflüchteten wird gefeiert.
Liebe gibt es auch, selbstverständlich bei Allende, sogar eine Jahrzehnte dauernde: Damit transportiert die Autorin Zeitgeschichte besser als es Sachbücher tun. Sagt sie.
Das stimmt aber nur, was schlecht geschriebene Sachbücher betrifft.
Erinnert werden soll an die Not, die Heimat zu verlassen. Zwei Katalanen – angehende Pianistin und Arzt – entkommen den Faschisten am Ende des Spanischen Bürgerkriegs.
 Chile nimmt sie auf – Chile, dieses „schmale Blütenblatt aus Meer und Wein und Schnee“ (Neruda), das unter Pinochet zusätzlich aus Blut und Tränen bestand.
Isabel Allende muss sich nicht schämen. Sie bleibt nicht immer an der Oberfläche, sondern bohrt mitunter ins Fleisch: Der Arzt greift auf dem Schlachtfeld einem fast toten  jungen Kämpfer gegen Franco durch die Schusswunde direkt aufs Herz, in seiner Verzweiflung drückt er es und knetet es, bis es wieder schlägt.
Damit man sich von „Fremden“ nicht bedroht fühlt, hört man ihnen zu. Dann verschwinden Angst und Hass. Bei Allendes Romanen verschwinden sie.

 

Isabel Allende: „Dieser
weite Weg“
Übersetzt von
Svenja Becker.
Suhrkamp Verlag.
381 Seiten.
24,70 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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