Höchstwertung für die Lehrerin Elizabeth Finch

Höchstwertung für die Lehrerin Elizabeth Finch
Wie Julian Barnes unser Denken durcheinanderwirbelt und von Kaiser Julian erzählt

Ist das Leben schön, aber traurig ... oder traurig, aber schön?

Auf dem Weg durch Julian Barnes’ Roman wird man wunderbar verwirrenden Fragen begegnen:

Nur die Lebenden können dir sagen, dass du dich irrst. Aber die Lebenden lügen. Soll man deshalb zu den Toten mehr Vertrauen haben?

Unterfordert hat er nie. Jetzt fordert uns Julian Barnes heraus. Er stellt den römischen Kaiser Julian in ein Zentrum. (Es gibt zwei Zentren.) Den letzten heidnischen Kaiser, der ums Jahr 300 n. Chr. den letzten Versuch unternahm, dem Christentum Einhalt zu gebieten. Nicht mit Gewalt, mit Vernunft wollte er zu alten Gottheiten bekehren. Denn was, fragte er, habe der eine Gott der Römischen Kirche Großes zukommen lassen? Nicht die Astronomie (Babylon), nicht die Geometrie (Ägypten), nicht Sokrates, Platon, Caesar ... Wäre die Häresie, so fragte er weiter, vielleicht aufgeklärter, gerechter?

Julian verlor gegen Jesus. Mit seinem Tod in der Schlacht starben Heidentum und Hellenismus.

Nun setzt uns Julian Barnes das Historische nicht einfach so vor. Sondern umhüllt mit einer anderen Geschichte, der Geschichte von „Elizabeth Finch“, die Studenten im (Über-)Denken unterrichtet hat. Vielleicht ist es sogar eine Liebesgeschichte.

Nicht mono

Auf Neil machte sie großen Eindruck. Er traf sich 20 Jahre regelmäßig mit ihr zum Reden und Mittagessen. Sie vererbte ihm ihre Notizen.

Er will ihr posthume Freude machen. Zum einen, indem er über Kaiser Julian einen Essay schreibt. Über ihn sprach Elizabeth Finch oft. Und dass „mono“ nie gut sei, nicht monotheistisch, nicht monomanisch, nicht einmal monoton.

Zum anderen, indem er ein Buch plant: Wer war Elizabeth Finch? Allein und nicht einsam, offen und verschwiegen, anteilnehmend und distanziert – ein Mythos.

Neil hat noch nie etwas vollendet. Weder Ehe noch Beruf. Warum sollte er diesmal etwas fertig machen? Zumal Scheitern interessanter ist als Erfolg.

(Finch – man glaubt ja fast, es gab sie wirklich – überlegte laut: Wenn der letzte lebende Mensch an dich denkt ... und danach deine endgültige Auslöschung folgt ... sollte dieses Ereignis nicht wenigstens einen Namen haben?)


Julian Barnes:
„Elizabeth Finch“
Übersetzt von Gertraude Krueger.
Kiepenheuer &
Witsch Verlag.
240 Seiten.
25,50 Euro

KURIER-Wertung: *****

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