Heinrich Steinfest: Komposition mit Alpendohle und Fisolensalat

Heinrich Steinfest: Komposition mit Alpendohle und Fisolensalat
Eine Buchhandlung in 1.765 m Höhe wird eröffnet. Im Roman. In "Der betrunkene Berg"

Heinrich Steinfest will von seinem Berg gar nicht mehr herunter. Das ist verständlich. Ihm ist ein besonders schönes Bild gelungen:

Irgendwo im oberösterreichischen Salzkammergut – ein Berg, auf 1.765 m Höhe ein Schutzhaus des Alpenverein – daneben eine Buchhandlung – „Bücherberg“ heißt sie, und es gibt nur Bergbücher zu kaufen.

Um Weihnachten sind Schutzhaus und Buchhandlung geschlossen, aber die Buchhändlerin Katharina Kirchner bleibt am Berg. Sie liest und wandert im Schnee und findet knapp unterm Gipfel einen großen Mann, der dort erfrieren will.

Es wird viel gerettet in „Der betrunkene Berg“, und auch das ist schön. Es wird außerdem eine Alpendohle gerettet, die sich zu hoch hinauf gewagt hat. Später ist sie es, die hilft.

Die Buchhändlerin ist schon früher einmal gerettet worden, auf einer sinkenden Fähre nach Griechenland.

Es kommt auch eine schwangere Lawinenexpertin, und auch sie wird gerettet. Der Roman ist eine Menschenkomposition mit Dohle und Fisolensalat, den der Riesenmann zubereiten kann.

An den Haaren

Er kann auch Schneemänner bauen wie ein Bildhauer. Er hat Fäuste wie ein Boxer. Er weiß nicht, warum er im Schnee sterben wollte. Er weiß nicht, wer er ist. Sagen wir, es ist der Robert. Auf dem Klo liegt eine alte Zeitschrift, in der ein Foto von ihm ist, er trägt Smoking ...

Steinfest geht es, wie schon zuletzt in der „Amsterdamer Novelle“ (2021), reduzierter an als früher, als seine Texte Abzweigungen nahmen, von denen normalerweise kein Autor heil zurückkehrt. Nur das alte Buch eines zweifelnden Priesters, das abwechselnd in der Buchhandlung vorgelesen wird, lenkt diesmal ab ... bzw. bereichert.

Der Roman ist ein ernstes Kammerspiel, in dem die Natur die Kammer ist.

Und sollte jemand kritisch anmerken, das sei ja alles an den Haaren herbeigezogen, muss man sagen: Ja genau, so ist das, hurra.

Die sogenannte Wirklichkeit mit Schuld und Scheitern ist aber im Buch immer gegenwärtig, versteckt halt wie auf Seite 168:

„Es war eigentlich wie immer, wenn man genau hinschaute. Umso genauer man hinsah, umso deutlicher wurde die eigene Schweinerei.“

 

Heinrich Steinfest: „Der
betrunkene Berg“
Piper Verlag.
224 Seiten.
23,50 Euro

KURIER-Wertung: ****

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