Franzobels heiteres Abenteuer "Die Eroberung Amerikas"

Franzobels heiteres Abenteuer "Die Eroberung Amerikas"
Nach "Das Floß der Medusa" wagt er sich noch weiter zurück, zu den Seefahrern im 16. Jahrhundert

Die Chancen, heute einem Menschen aus dem 16. Jahrhundert zu begegnen, sind äußerst gering.

Aber es gibt einen, der war zumindest kurz dort, um Grausamkeit, Gier und Unfähigkeit zu beobachten.

Stimmt schon, das alles hätte Franzobel, wie sich der Zeitreisende nennt, auch in der Nähe haben können.

Aber der Hintergrund – die Conquista – ist jene große Leinwand, auf die er nun nicht verzichten wollte, nachdem er im Fernsehen eine Dokumentation über den spanischen Seefahrer Hernando de Soto gesehen hatte.

Franzobel (Foto oben) hatte sich zuletzt erfolgreich im Jahr 1816 vor der Westküste von Afrika herumgetrieben.

Die damalige Ausbeute war, nach Rückkehr in die Wiener Gegenwart, der gelobte Roman „Das Floß der Medusa“ (2017) über Schiffbrüchige, die einander auffraßen.

Heilige Makrele!

Franzobel war beim Schreiben fokussiert gewesen und meist mit großem Ernst bei der Sache. Ein neuer Schriftsteller ward geboren (fast neu). Mit 50 hatte er den Beweis erbracht, sich weiter hinauswagen zu können. Und weiter zurück in der Zeit.

Deshalb jetzt ins 16. Jahrhundert, 1538 bis 1542.

Die Europäer hacken Dieben die Hände ab, danach erst wird geköpft – und das Blut wird mit Schwämmen aufgefangen: Menschenblut hilft ja ungemein gegen Epilepsie und Tbc .... während sich dieselben Europäer über die Indianer wundern, weil die nackt leben und sich Lehm ins Gesicht schmieren.

Der Aufschrei „Heilige Makrele!“ passt immer, man wird ihn oft hören im Buch, das mit uns über die verschiedenen Arten, ein Mensch zu sein, spricht.

Hernando de Soto – das ist bei Franzobel: Ferdinand Desoto, „wegen der leichteren Lesart“.

Unter Pizarros Führung war Desoto an der Vernichtung des Inkareichs beteiligt. Auch wenn er Atahualpa das Schachspiel beibrachte: Er war Barbar. Viel Geld machte er mit Sklavenhandel.

Aber er wollte ein „Goldland“ inkl. Unsterblichkeit. Aus Goldbechern trinken, in silberne Nachttöpfe pinkeln – das musste in Florida möglich sein. Kaiser Karl V. erteilte die Erlaubnis. 800 Soldaten (und Priester und Desotos Ehefrau) zogen mit Schweinen und scharfen Hunden in sieben Schiffen aus.

Nach vier Jahren war weniger als die Hälfte am Leben. Mag sein, dass man sich anfangs, das Te Deum singend, benehmen wollte. Doch auf den ziellosen Wanderungen fand Krieg statt.

Franzobel im KURIER-Geplauder: „Wofür Desoto steht? Zuerst ist er ein etwas verquerer Held, durchaus mit romantischen Zügen. Allmählich nehmen Unzufriedenheit und Verbohrtheit zu. Ein bisschen Hans im Glück, mit dem Erreichten nie zufrieden. Immer mehr will er, um am Ende gar nichts zu haben. So gesehen steht er fürs vergebliche Streben von uns Menschen.“

Desoto eignet sich vorzüglich als Komödie, und man kann sich Franzobel vorstellen, wie er sich nach einem Späßchen zurückhalten muss, um nicht gleich noch eines anzubringen.

Denn sein Roman soll auch Abenteuerroman sein.

Die Stimme, die aus dem Heute heraus erzählt, mischt sich mit spöttischen Kommentaren ein.

An einigen Stellen sind sie aufdringlich.

Ohne Gesicht

Eine der vielen Figuren, von denen man sich seinen Liebling aussuchen kann, ist Advokat Turtle Julius.

Er soll einen Erben ausfindig machen. Einen Gauner, der die Zehennägel von Petrus verkaufte und an Desotos Expedition teilnimmt. Turtle Julius ist trotzdem äußerst pflichtbewusst und nimmt in Kauf, dass er auf der Suche angeschossen wird, bald keinen Arm und keine Nase, ja kein Gesicht mehr hat.

Nein, Franzobel kennt solche Anwälte nicht, „aber ich habe die Hoffnung, dass es sie gibt.“

Warum heißt der Roman „Die Eroberung Amerikas“? Desoto hat nichts erobert.

Die Eroberung gibt es. Im Buch gibt es sie. Hier soll sie ein Geheimnis bleiben.

Franzobel: „Ich hatte den Titel immer im Sinn. Nur kurz fand ich ihn zu nüchtern, habe nach Alternativen gesucht und bin auf DIE SÖHNE GOTTES gekommen.“

Und?

„Das klang dem Verlag zu sehr nach Dschihadisten.“

Franzobel:
„Die Eroberung
Amerikas“
Zsolnay Verlag.
544 Seiten.
26,80 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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