Franz Kafka: Vom Kübel in die Albertina

Franz Kafka: Vom Kübel in die Albertina
Das letzte Geheimnis seines Nachlasses: Die Zeichnungen wanderte von Zürich nach Jerusalem und dadurch an die Öffentlichkeit

Die Albertina ist im Besitz von zwei Bleistiftzeichnungen Franz Kafkas. Max Brod, der Freund Kafkas, hat sie verkauft. Das war 1952. Er verlangte für „Figur auf Dach“ (Inventarnummer 31339r) und „Zwei Figuren“ (Nr. 31340) insgesamt – 150 Dollar.

Eigentlich zu viel.

Aber wegen des berühmten Namens doch bloß ein symbolischer Betrag: Brod ging es darum, Kafkas grafisches Werk zu ehren und etwas davon im berühmten Museum unterzubringen.

Später, nach Max Brods Tod 1968 in Tel Aviv, ging’s sehr wohl ums Geld.

Die Handschrift vom „Process“ wurde vom Deutschen Literaturarchiv Marbach um eine Million Pfund ersteigert.

Und als der Verleger Michael Krüger anlässlich Kafkas 100. Geburtstag 1983 ein Buch mit allen seinen bislang unbekannten Zeichnungen veröffentlichen wollte, ließ ihn ein Anwalt wissen:

Um 100.000 Mark könne Krüger die Bilder ANSCHAUEN. Danach könne man über den Preis für einen Abdruck diskutieren ...

Habenwollen

Das ist jetzt, am Ende des mehr als ein Jahrzehnt dauernden Erbschaftsstreits, bedeutend günstiger.

Vorbildlich werden die 150 Zeichnungen – das letzte Geheimnis des Nachlasses, Beispiel siehe Zeichnung oben – in Buchform präsentiert. In Originalgröße. Mit Erklärungen. Nie wird man allein gelassen.

Die Veröffentlichung steht am Ende der Auseinandersetzung, in der es ums Habenwollen ging. Um das Verlangen, Kafka, diesen Inbegriff der modernen Literatur, bei sich zu haben.

In vier Banksafes der UBS lag der Nachlass. Max Brods Testament erlaubte Interpretationsspielraum. Die Familie seiner Sekretärin und Freundin verlor, die Israelische Nationalbibliothek gewann. Der Inhalt wanderte von der Bahnhofstraße in Zürich nach Jerusalem – und an die Öffentlichkeit.

Zeichensprache

Kafka zeichnete. Während er Jus studierte, nahm er sogar Unterricht. Max Brod holte alles aus dem Papierkorb, schnitt Zeichnungen aus einem Heft und ließ sich etwas schenken. Mit dem letzten Zug gelang ihm 1939 die Flucht aus Prag. Im Koffer rettete er Manuskripte und die „Schmierereien“.

Dieses Wort hatte Kafka gewählt, und man kann nun entscheiden, ob man sich an ihn hält. Einmal meinte er: Das seien keine Bilder, die man herzeigt, sondern seine private Zeichensprache.

Oder aber man sieht in den „dahingeworfenen“ Gesichtern und Gestalten eine neue Kunst – nicht Skizze, aber auch nichts Fertiges.

Jedenfalls muss man nicht traurig sein, keine der Zeichnungen zu besitzen. Erstens wirklich nicht.

Zweitens, so Franz Kafka: Man möge sich mehr berauschen an dem, was man NICHT besitzt.


Franz Kafka:
„Die Zeichnungen“
Herausgegeben von Andreas
Kilcher.
C.H. Beck.
368 Seiten.
46,30 Euro

KURIER-Wertung: *****

 

Keine Strafe für den Vater des Käfers

Noch etwas Neues über Kafka. Man kann wirklich nicht sagen, Franz Kafka gierte nach Veröffentlichung seiner  Texte. Aber eines hätte er gern erlebt: das Buch, das „Das Urteil“ und „Die Verwandlung“ und „In der Strafkolonie“ vereint.
Als Titel wünschte er: „Strafen“.
Sein Verleger  lehnte ab: Das sei unverkäuflich.
In „Kafkas ,Strafen’ neu ausgelegt“  sind die Novellen nun vereint. Der Klagenfurter Richter, Dichter und Kafka-Spezialist Janko Ferk führt durchs Programm – das heißt: Ferk interpretiert bzw. ergänzt die gut 100 vorliegenden Interpretationen um Juristisches. Derart akribisch, dass man – vielleicht auf einer faden Party –  ins Gespräch werfen kann: Der wütende Vater, der seinen bekanntlich in einen  Käfer verwandelten Sohn mit Äpfeln bewarf und verletzte, bleibt straffrei: Das  geltende Gesetz von 1852 kannte keinen Tierschutz.


Janko Ferk:
„Kafkas ,Strafen’ neu ausgelegt“
Leykam Verlag 184 Seiten. 22 Euro

KURIER-Wertung: ****

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