Françoise Gilot: Das Allerschlimmste? Langweilig werden

Françoise Gilot: Das Allerschlimmste? Langweilig werden
Malte Herwig über die Frau, die es wagte, Picasso zu verlassen

Man kann wählen: Pablo Picasso war der Matador, der mit den Stieren spielte. Aber ein einziges Mal entkam der Stier aus der Arena und lebte glücklich und zufrieden.

Oder: Picasso war der Puppenspieler, die Puppen, allesamt Frauen, sollten nur piepsen, und bissl gestikulieren durften sie. Aber eine Puppe riss ihm den Faden aus der Hand.

Und ging.

Der Stier, die Puppe – das war die Malerin Françoise Gilot, die einzige Frau, die es gewagt hatte, Picasso zu verlassen. Genies mögen so etwas gar nicht.

Sie war um die 90, als der deutsche Journalist Malte Herwig sie in ihren Ateliers auf dem Montmartre und in Manhattan besucht hatte. Er war ihr nah wie ein Fan; und spielt in dem Buch eine etwas zu große Rolle.

In seiner hervorragenden Peter-Handke-Biografie „Meister der Dämmerung“ (2010) stand Malte Herwig - Foto oben mit Handke - weiter weg vom Porträtierten; und selbst hielt er sich zurück.

„Die Frau, die Nein sagte“ erschien erstmals 2015. Das Taschenbuch kommt gerade rechtzeitig zum 100. Geburtstag, den Françoise Gilot am 26. November feierte. Sie ist die Mutter von Claude und Paloma Picasso.

Verbrennen

Der Spanier soll gern gedroht haben:

„Jedes Mal, wenn ich eine neue Frau nehme, sollte ich ihre Vorgängerin verbrennen. Dann wäre ich sie los.“

Françoise war 22, als er sie entdeckte. Er war 63. Und 73, als sie ihn stehenließ. Das empfand er als beleidigend. Einmal hatte Picasso einer Skulptur, die ihr nachempfunden war, die Beine abgeschlagen, um zu demonstrieren: Weggehen ist unmöglich.

So erzählte sie Malte Herwig, und abgesehen davon, dass viel übers Malen geredet wurde – interessant: Niemals zuerst den Umriss zeichnen, immer erst den Inhalt, dann das Gefäß (sagt sie), immer von innen heraus und mit dem ganzen Körper; und malen, ohne anfangs zu wissen, was man malen will – lieber tanzen auf der Leinwand ...

... abgesehen von der Kunst, wurde es in den Gesprächen oft philosophisch, Was Malte Herwig Besonderes mitnahm, ist:

Françoise Gilot wollte Picasso. Sie wusste, worauf sie sich einließ. Zitat:

„Wenn du wirklich leben willst, musst du etwas Dramatisches riskieren, sonst lohnt sich das Leben nicht. Wenn du etwas riskierst, erlebst du auch schlimme Dinge, aber du lernst vor allem eine Menge und lebst und verstehst immer mehr. Vor allem wirst du nicht langweilig. Das ist das Allerschlimmste: langweilig werden.“

Langweilig ist „Die Frau, die Nein sagte“ an keiner Stelle.

 

Malte Herwig:
„Françoise
Gilot –
Die Frau, die Nein sagte“
Diogenes Verlag.
256 Seiten.
14,95 Euro

KURIER-Wertung: ****

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