Eskimos in Kanada: Als es „ushashush“ gab und „mush“ schmeckte
Jetzt wird es eiskalt, und es ist verständlich, dass man zunächst gar keine Lust hat, in der kanadischen Provinz Québec mit Michel Jean vom See Pekuakami zu den Stromschnellen beim Passes Dangereuses zu wandern.
Michel Jeans Urgroßmutter Almanda wollte ein Jägerleben führen wie die Innu seit 15.000 Jahren: Sie verließ ums Jahr 1890 den armseligen Bauernhof ihrer weißen Familie und heiratete Thomas vom Clan der Siméons. Sie war 15, er 18. Von einer liebevolleren Ehe hat man selten gelesen.
Im wilden Land zwischen den Flüssen Peribonka und Mistassibi hat es zurzeit minus 20 Grad.
Kein Schimpfwort
Das Wort „Eskimo“ ist offensichtlich wieder erlaubt. Sprachwissenschaftler haben nämlich herausgefunden: Das ist gar kein Schimpfwort („Rohfleischfresser“), sondern bedeutet „Schneeschuhflechter“.
Hingegen kann die Bezeichnung „Inuit “ problematisch sein, weil damit nur ein einziges Volk gemeint ist. Aber es gibt auch Yupik und Inupiat.
Was Kanada betrifft, passt Inuit.
Michel Jean ist Innu und Fernsehmoderator, und (sagt er) wenn auch die Sitten und Bräuche von den eingewanderten Franzosen und Briten weiß gemacht wurden – „wer kann schon vergessen, wer er wirklich ist? Ich nicht.“
„Kukum“ ist ein überraschend warmer Roman. Er breitet sich zunächst aus wie die Tannenzweige im Zelt, die den weichen Boden zum Schlafen bilden.
Michael Jeans Urgroßmutter Almanda, seine „Kukum“, wollte endlosen Horizont, sie wollte Elch (mush) essen, dessen Fleisch besser schmeckt als vom Karibu (atuk), sie wollte auch sprachlich zwischen Schnee (kun) und Pulverschnee (ushashush) unterscheiden können. Plastisch wird von Schönheit und Feindseligkeit der Natur erzählt.
Almanda Siméon wurde 97 Jahre alt.
Der Bruch im Roman, wenn’s dann wirklich eisig wird, der ist dort, wo die Familien ins Reservat gezwungen werden. Wo die Regierung ihnen die Kinder wegnimmt und in Internate steckt. Wo Holzfäller die Wälder zerstören und Staudämme gebaut werden. Die neue Eisenbahn fuhr nur drei, vier Meter neben Almandas Hütte zum Bahnhof.
Erinnerung an wilde Zeiten: Zapft man den Saft der Ahornbäume ab und kocht ihn zu Sirup, sollte ein bisschen Rentiermark beigemengt werden. Es schmeckt dann noch besser.
Michel Jean:
„Kukum“
Übersetzt von
Michael Killisch-Horn.
Wieser Verlag.
211 Seiten.
21 Euro
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern
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