Dieser Roman ist nur ein einziger Satz, gesprochen von einem Toten
Der Titel ist gar nicht so abschreckend, es ist wirklich ein ungewöhnlicher Roman.
Umso schlimmer, wenn in einer – gut gemeinten und bestimmt sehr klugen – Kritik zu lesen ist:
„Alle berechnete Wirklichkeit bricht sich an dem einen Moment der Einkehr ins Du.“
Das macht zwar Appetit, allerdings nicht auf den irischen Schriftsteller Mike McCormack (Foto oben): Denn jetzt hat man einen leicht verständlichen Thriller lieber.
McCormack wollte einen Satz schreiben und kein Buch. Es gibt keinen einzigen Punkt, nicht einmal ganz am Ende: Das letzte, recht passende Wort verabschiedet sich mit zwei Gedankenstrichen: „Scheiß--“ Es gibt überhaupt nur wenige Satzzeichen, denn der Text soll möglichst ungehindert fließen. Er wirkt an vielen Stellen wie ein Gedicht (des Lebens), den guten Rhythmus hat er.
Es sitzt jemand in der Küche, er heißt Marcus Conway und ist tot, aber das weiß er nicht. Er plant, mit seiner Frau einen Van zu kaufen.
Teebeutel
Es ist Allerseelen, und in manchen Gegenden bedeutet das, die Toten dürfen für ein paar Stunden zurückkehren. Im irischen Grafschaft Mayo im Westen ist das jedenfalls so, dort wuchs McCormack auf, dort spielt sein langer Satz.
Marcus war Ingenieur.
McCormack wollte einen Satz über einen Ingenieur schreiben. Ingenieure, sagt er, haben die Welt gebaut, trotzdem sind sie in der Literatur kaum wahrnehmbar.
McCormack schrieb einen ungewöhnlichen Satz über einen toten Ingenieur, über einen gewöhnlichen Mann, der die Küche nicht verlässt.
Er redet über Parasiten im Trinkwasser und darüber, dass er seinen erwachsenen Sohn gebeten hat, ab und zu Haar und Bart zu schneiden. Er redet über Alltagskunst und Ingenieurskunst und Zement, aber am besten, am traurigsten ist die Welt, wenn er einen Teebeutel sucht: Die waren doch immer in der grünen Dose! Hat Marcus Conways Frau umgeräumt in seiner Abwesenheit? Ist sie vielleicht selbst schon tot? Gehört das Haus, die Küche einem Fremden? Scheiß --
Mike
McCormack: „Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann“
Übersetzt von
Bernhard Robben. Steidl Verlag.
272 Seiten. 24,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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