Die "Brexit"-Satire: Als der Premierminister Lust auf eine Fliege bekam
Es gab im KURIER einen Chefredakteur (Peter Rabl), der zu schreien begann, wenn jemand das Wort „ Kakerlake“ verwendete.
„Küchenschabe“ musste es heißen.
Das geht jetzt leider nicht, denn Ian McEwans Roman „The cockroach“ wurde mit „Die Kakerlake“ übersetzt.
Ein Meisterwerk, mit rund 150 Seiten ein kurzes.
Eine lustige Satire.
Die Mission
Eine sehr lustige, wenn man sich Premierminister Johnson vorstellt, wie er Appetit auf eine sterbende Schmeißfliege bekommt:
Sie liegt auf der Untertasse seines Kaffeehäferls, und er sollte sich mit dem Essen in einem unbeobachteten Moment beeilen, weil Schmeißfliegenleichen nach zehn Minuten bitter schmecken – aber davor den Geschmack von Käse haben ...
Seit wann isst ein Premierminister Fliegen?
Ian McEwan - Foto oben - ist entschiedener Brexit-Gegner. Als ihm Kafka und der in einen Käfer verwandelte Gregor Samsa in den Sinn kamen, begann er zu schreiben.
Er drehte es um: Eine Schabe (die gern tote Fliegen isst) kriecht aus den modrigen Löchern des Parlaments die Straßen entlang zur Downing Street 10 und wacht im Körper des Premierministers auf.
Die Kakerlake heißt jetzt James Sams und hat eine Mission: Ihre mit Füßen getretene Art will sie rächen und Großbritannien ruinieren.
Allein ist sie dabei nicht, die meisten Minister sind ebenfalls Schädlinge und unterstützen Sams’ Idee: Er setzt durch, dass der Geldfluss umgedreht wird.
Was bedeutet: Wer arbeitet, muss dafür zahlen. Je besser der Job, umso mehr.
Aber: Wer nach der Arbeit einkaufen geht, bekommt Geld. Wer im Hotel nächtigt, wird bezahlt.
Damit der Hotelier sich seine Gäste leisten kann, muss er teuersten Champagner kaufen und Designerbetttücher ...
McEwan zeigt, wie aus einer Dummheit eine Katastrophe wird; und er braucht keine Namen, um die verantwortlichen Politiker vorzuführen.
Er braucht nicht einmal das Wort „Brexit“.
Fragt jemand – wie die deutsche Kanzlerin – Samsa: „Warum tun Sie das?“... so kann dieser nur antworten: „Weil.“ Weil und Punkt. Was soll er sonst sagen?
Sams vermutet, dass auch der US-Präsident aus einem Loch kam, so wie er sich aufführt. Aber als er ihn am Telefon vorsichtig fragt, ob auch er früher sechs Beine hatte, wird aufgelegt.
Der britische Außenminister war jedenfalls keine Kakerlake und verlässt bei so viel Idiotie den Sitzungssaal.
Samsa überlegt, wie man ihn umbringen könnte.
Und nun lacht man nicht mehr, jetzt beutelt es einen durch, der Spott tut weh, Ian McEwan hat in diesem Genre alles richtig gemacht.
(Wobei es etwas für sich hätte, wenn Besucher mancher Konzerte nichts zahlen, sondern Geld bekommen, viel Geld, hodi odi ohh di ho di eh.
Ian McEwan:
„Die Kakerlake“
Übersetzt von Bernhard
Robben.
Diogenes Verlag.
112 Seiten.
19,60 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern
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