Der Weg vom Komischen in die Dunkelheit ist kurz

Der Weg vom Komischen in die Dunkelheit ist kurz
"Krawall und Kekse": Shirley Jackson (1916 – 1965) mit Familiengeschichten aus den Fünfzigern

Die schaurigen Geschichten der Amerikanerin Shirley Jackson - Foto oben - erschienen Ende der 1940er, Anfang der 1950er-Jahre Frauenzeitschriften wie Good Housekeeping und Mademoiselle.

Es sind Geschichten über ihre Familie – vier Kinder, viele Kilo Schokopudding und ihr Ehemann, aber der fällt nur ins Gewicht, wenn er eine verirrte Fledermaus im Haus im US-Staat Vermont mit seinem Luftdruckgewehr erlegen will.

Und wenn Laurie, der älteste Sohn, zu ihm sagt: „Hallo Pop, du alter Wischmopp.“

Laurie ist sechs.

Auslachen

Nun ist diese Form der Begrüßung nicht typisch, und vor 70 Jahren war sie es schon gar nicht (außerdem ist bestimmt nicht alles erlebt, vieles ist einfach gut erfunden).

Die Jacksons waren alledings keineswegs typisch.

Männer brachten das Geld heim, und wollte jemand kreativ sein, so sicher nicht die Ehefrau. Sie sollte Frauchen am Herd sein.

Shirley Jackson aber verdiente mehr als ihr Mann. (Auch rauchte sie mehr als er.) Die Zeitschriften rissen sich um ihre lustigen Kolumnen. Sie sah darin nichts Besonderes. Reine Lohnarbeit. Doch zum ersten Mal las Amerika über eine Mutter, die ihre Kinder nicht anhimmelt und sich selbst nicht zur Heldin macht. Daheim war und ist das Chaos, doch so ein Chaos gehört ausgelacht wie das Rollenbild der Haus- und Ehefrau.

Darüber hinaus hat Shirley Jackson – so nebenbei? – „richtige“ Gruselromane geschrieben. Zwei sind auf Deutsch erhältlich: „Spuk in Hill House“ (zwei Mal verfilmt, zuletzt mit Liam Neeson) und „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ (ebenfalls verfilmt).

Ihre Texte über den Familienzirkus wurden 1953 erstmals miteinander verbunden, damit sie halbwegs einen Roman ergeben. Der Witz ist nicht alt. Der Spaß lebt noch recht gut.

Egal, um welchen Horror es sich handelt: Übersetzerin Nicole Seifert weist anlässlich der Wiederentdeckung von „Krawall und Kekse“ darauf hin, Jackson habe immer von Unterforderung und Überforderung erzählt, von Abhängigkeit und Aufbruch, Gefangenschaft und Flucht.

Vom Komischen ist es bei ihr nie weit zu Angst und Dunkelheit.

Star ist nicht die Mutter, sondern Sohn Laurie – wie wohlerzogen ist dagegen „der kleine Nick“!

Laurie berichtete wochenlang daheim vom Schulkollegen Charles: „Charles war wieder böse.“

Mit Kreide warf er, schlimme Wörter schrie er, einem Mädchen schlug er mit Spielzeug eine blutende Wunde ... Charles wurde bei den Jacksons zur Institution, und die Mutter war schon sehr neugierig auf den nächsten Elternabend.

Es gab gar keinen Charles.

Laurie war Charles.


Shirley Jackson:
„Krawall
und Kekse“
Übersetzt und mit einem Nachwort von Nicole Seifert.
Arche Verlag.
256 Seiten.
24,50 Euro

KURIER-Wertung: ****

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