"Der verbotene Bericht" über das Scheitern
Die Sümpfe blubbern, die Moskitos surren, die Pfeile der Indianer – das Wort gilt als unproblematisch, allerdings gibt es heute eindeutigere Wörter wie Native Americans – sind so lang und scharf, dass sie die Rüstungen der verhinderten Conquistadores durchbohren.
Die Mannschaft des Spaniers Pánfilo de Narváez wollte ums Jahr 1527 Florida erforschen und Gold finden wie Hernán Cortés bei den Azteken. Aber in „ihrer“ Gegend waren den Bewohnern Tierhäute und Türkise (die Steine!) wichtiger.
Für Narváez’ Leute gab es nicht einmal genug zu essen. Sie bettelten. Und verhungern, nachdem sie sogar ihre Pferde aufgegessen hatten.
400 Mann zählte die Truppe anfangs. Vier waren nach acht Jahren der Irrwege noch am Leben, unter ihnen: Estevanico.
Ein einziges Mal taucht im 16. Jahrhundert sein Name, sein Spitzname, in einem Bericht auf: Estevanico, ein „arabischer Neger aus Azamor“. Ein Marokkaner wie die Schriftstellerin Laila Lalami (Foto oben). Der erste Afrikaner - und Muslim - in Amerika.
Das interessierte Lalami: ein Opfer des Kolonialismus, das selbst in ein fremdes Land eindringt. Aber was sollte Estevanico dagegen machen? Er war Sklave eines Spaniers.
Auf Augenhöhe
Laila Lalami bemüht sich, keine modernen Wörter zu verwenden, aber verzichtet dankenswerterweise darauf, eine vergangene Sprache nachzuahmen.
Sie hält sich an die wenigen Fakten und lässt Estevanico erzählen: „Der verbotene Bericht“ eines Sklaven, der Gescheiteste unter den Gescheiterten, denn er verhandelte mit den Einheimischen in deren Sprachen, die er rasch lernte. Das ist verbürgt. Nicht nur im Roman ist er derjenige, der nicht auf die Indianer herunterschaute und gern mit ihnen lebte.
Neben dem Abenteuer wird auch sein Leben von Geburt an erzählt, und so kommt die Fiktion hinzu, die uns sagt: Er selbst war, bevor es ihn wegen seiner Schulden selbst erwischt hat, am Handel mit Sklaven beteiligt gewesen.
Angeblich half er kranken Indianern, und dieses Bild ist recht lustig: Der „Zuagraste“ sitzt im Zelt, verordnet Salzwasserbäder, Yuccafasern, Schachtelhalm – und der Dorfschamane sitzt neben ihm und bewundert den fremden Kollegen.
Laila Lalami:
„Der verbotene Bericht“
Übersetzt von Michaela Grabinger.
Kein & Aber Verlag.
498 Seiten.
28,50 Euro
KURIER-Wertung: ****
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