Der Roman über die Generation Slim-Fit: Jede Zuckung ist einstudiert

Der Roman über die Generation Slim-Fit: Jede Zuckung ist einstudiert
Elias Hirschl über einen Parteisoldaten, der 3000 Mal die Kanzler-Biografie daheim hat

Es heißt, wenn eine Schraube locker ist, hat das Leben etwas mehr Spiel, und bei Elias Hirschl hatte das literarische Leben bisher sehr viel mehr Spiel.

Sein erster Roman hieß tatsächlich „Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt“ ... und in den Zeitreisen, um die es geht, konnte sich H.C. Strache immer wieder mit sich selbst treffen, was bestimmt herrlich ist.

Auch wurde durch Hirschl die Weltformel T = R bekannt, was bedeutet, dass es sogar eine effektive Bekämpfung von Plaque für eine bessere Mundhygiene gibt.

Aber plötzlich spinnt dieser spannende Wiener Autor weniger. Er ist nah an der Wirklichkeit: bei der „Generation Slim-Fit“, die nichts dem Zufall überlässt, um an die Macht zu kommen.

Überdüngt

„Salonfähig“ ist der – namenlose – Stellvertreter des Stellvertreters des Generalsekretärs für den 16. Wiener Bezirk. Er macht, was sein Vorbild macht. Sich inszenieren.

Plastik gehört trainiert: Er übt vor dem Spiegel, auch lachen übt er und lächeln, es kommt auf jede Zuckung an.

100 Bürstenstriche am Tag machen schönes Haar. Eine offene Körperhaltung vermittelt Souveränität.

Sein Vorbild wird, wir werden es lesend erleben, zum Bundeskanzler gewählt.

Wenn Julius Varga – so heißt der Kanzler – auf Dienstreise ist, darf der Stellvertreter vom Stellvertreter zu ihm in die Wohnung und die Pflanzen gießen. Das zelebriert er wie einen Staatsbesuch bei Ziergras und Vergissmeinnicht. (Geht aber trotzdem alles ein. Überdüngt.)

Der 29-Jährige schreibt dem Kanzler ständig SMS, wie toll er ist. Er hat 3000 Exemplare von dessen Biografie daheim, verfasst von einem Krone-Journalisten.

Es ist ein grausamer Roman. Grauslich auch. Zum Fremdschämen sowieso. Und witzig ist er. Irgendwann wird man genug davon haben. Wird man? Irgendwann hört sich der Spaß auf. Das Ende, das sich Elias Hirschl hat einfallen lassen, ist dementsprechend nicht lustig, sondern hochdramatisch.

Interessant: So richtige „Slim-Fits“ haben offenbar damit aufgehört, Bettlern auf der Straße großzügig 20 Cent zu überreichen.

Aber sie schauen ihnen nach wie vor in die Augen und lächeln, und zwar tun sie es aus Wertschätzung.

 

Elias Hirschl:
„Salonfähig“
Zsolnay Verlag.
256 Seiten.
22,95 Euro

KURIER-Wertung: ****

 

Das Hörbuch um 17,99 Euro ist bei Lübbe Audio erschienen. Vorleser ist Georg Wacks, Ensemblemitglied der Wiener Volksoper und im Theater an der Wien für die historischen Kabarettprogramme zuständig

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