David Peace: Sowohl im Himmel als auch in der Hölle ist es grau

David Peace: Sowohl im Himmel als auch in der Hölle ist es grau
Der Engländer hat den dritten Roman über besetzte Japan nach dem Weltkrieg geschrieben: "Tokio, neue Stadt"

Das ist kein Krimi. Das ist Kriminalliteratur der anderen Art. Vom Feinsten. Vom Dunkelsten. Wobei „dunkel“ bei David Peace (Foto oben) immer grau heißt.

Das Licht ist bei ihm grau, der Himmel, selbst der Schatten – und ...

„Die Menschen sind sehr, sehr grau“, hat David Peace vor Jahren zum KURIER gesagt, als er in Wien war.

Schwarz-weiß gibt’s nicht.

Erlösung gibt’s keine.

„Ich kenne die Sehnsucht danach gut. Aber ich denke, nicht die Erlösung ist im Leben der entscheidende Punkt, sondern die Suche danach. Sie zählt.“

Der Brite lebt mit seiner Familie in Tokio. Seine Tokio-Romanserie begann mit „Tokio im Jahr Null“ – 1946, nach Japans Kapitulation. Mehr als eine Million Menschen, deren Häuser von den Amerikanern zerbombt wurde, beneiden die 100.000 Totem. In einem überschwemmten Luftschutzkeller liegt eine nackte Leiche im Kasten. Im dunklen See aus Urin und Kot, einen Meter hoch, tastet sich ein Polizist vor.

Bis heute ungelöst

Jetzt, im dritten Buch, sind drei Jahre vergangen, die Stadt hat wieder ein Einkaufszentrum, Restaurants sind geöffnet, auch teure ... und, das ist tatsächlich geschehen, der Präsident der Eisenbahngesellschaft liegt stückchenweise, das Gesicht vom Kopf getrennt, auf den Gleisen beim Bahnhof Ayase. Sadanori Shimoyama hatte die ungute Aufgabe gehabt, die Entlassung von 30.000 Bahnarbeiter zu verkünden.

Der Fall ist bis heute offiziell nicht abgeschlossen.

Die amerikanischen Besatzer wollten, dass es Mord war – und zwar von Kommunisten begangen. Die japanische Polizei fand allerdings Indizien, dass es sich um Selbstmord handelte.

In diesem Spannungsfeld hält man als Leser mit den Ermittlungsergebnissen Schritt, und manchmal wundert man sich ja selbst, wieso man „Tokio, neue Stadt“ nicht verlassen will.

David Peace unternimmt drei Versuche, das Rätsel zu lösen – 1949, 1964 und 1988. Sein Personal ist sympathisch – und kaputt.

Das ist ein Buch, das man nicht besprechen will. Denn das möchte man ohne Eile lesen und ganz im Grau versinken.

Und bei der Seite 423 möchte man nicken: „Ich hasse Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist die größte Sünde.“

 

David Peace:
„Tokio, neue Stadt“
Übersetzt von
Peter Torberg.
Liebeskind
Verlag.
432 Seiten.
24,70 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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