Christoph Ransmayr: „Ich bin ja nur einer von vielen“

Christoph Ransmayr: „Ich bin ja nur einer von vielen“
Der vielreisende Schriftsteller hat ein neues Buch geschrieben. Er erzählt darin von Abenteuern, Tod und (seinem) Leben – das hin und wieder auch etwas langweilig ist, wie er im Interview sagt

 „Fragmente seines Lebens“ enthalte sein neues Buch, schreibt Christoph Ransmayr am Beginn von „Egal wohin, Baby“. Im KURIER-Gespräch sagt der Schriftsteller, warum er sich beim literarischen Rekonstruieren dieser autobiografischen Fragmente trotzdem anders nennt, was es mit der Zahl 70 auf sich hat und warum es manchmal erleichternd ist, nichts schreiben zu müssen.

KURIER: Sie haben sich für die Dauer Ihres neuen Buches Lorcan genannt, ein Name aus der irischen Mythologie. Warum?

Christoph Ransmayr: Lorcan ist der Name eines irischen Freundes, den ich in diesem Buch mit meinen Erfahrungen ausstatte, als Erzähler auftreten lasse und so einige Distanz zu den Tatsachen meines Lebens herstelle.

Die siebzig Mikroromane in diesem Buch sind alle autobiografisch, also wahr?

Mehr noch: sie sind wahrhaftig. Geschichten ereignen sich ja nicht einfach, sondern sie werden erzählt. Erst durch die Verwandlung eines Faktums etwa in eine zur Sprache gebrachte Erinnerung entsteht eine erzählerische Struktur, also eine Geschichte, die sich von der Wirklichkeit ungefähr so unterscheidet wie das bloße Wort Meer von der Brandung, der Dünung oder insgesamt dem, was wir sehen, wenn wir an einer Küste stehen.

Warum siebzig Mikroromane? Die Zahl haben Sie bereits in früheren Büchern verwendet.

Diese Zahl und ihr Vielfaches oder ihre Bruchteile kommen ja häufig vor, auch in der Mythologie. Die Schöpfung beispielsweise soll sieben Tage gedauert haben. Natürlich ist die Welt nach sieben Tagen, an denen man je zehn Geschichten erzählt, weder vollständig noch gut. Aber sie wird so, zumindest für mich, für den Erzähler, fassbar. Als ich meinen „Atlas eines ängstlichen Mannes“ geschrieben habe, hatte ich einen Fundus von 280 Geschichten. Diesen Fundus habe ich eingedampft und am Ende dieses Kürzungsverfahrens stellte sich heraus, dass bei mehr als 70 in einem Buch versammelten Geschichten eine gewisse Wiederholungsgefahr besteht. So kam ich zur intuitiven Überzeugung, dass 70 auch für mich eine brauchbare Zahl ist – die mittlerweile auch noch mit meinem eigenen Endzeitalter verbunden ist.