Christoph Ransmayrs "Lebensfragmente": Steinerne Krokodile und verlorene Autoschlüssel

Sie sind ziemlich weltumfassend, diese 70, in sich geschlossenen kleinen Geschichten in Christoph Ransmayrs Buch „Egal wohin, Baby“. Sie erzählen vom Leben, vom Tod, von Berggipfeln und Friedhöfen. Tatsachen und Fragmente seines Lebens, schreibt Ransmayr. Der Titel ist Programm: Die 70 „Mikroromane“ berichten von überall, von weit weg und ganz nah. Ausgangspunkte sind eine moosbewachsene Treppe am Traunufer ebenso wie eine Stadt am östlichen Nilufer, wo steinerne Krokodile zu schlafen scheinen.

In Uganda findet der Erzähler auf der Suche nach Wasser nur einen Schlammstrom, in dem ein vermeintliches Ungeheuer steckt, das sich als im Morast badender Schwarzbüffel entpuppt
Der glücklichste Tag
Entlang fotografischer Skizzen, die ohne die dazugehörigen Geschichten kaum verständlich wären, erzählt Ransmayr von Liebe und Krieg, von Steinriesen mit Eigenleben und davon, dass einen der glücklichste Tag des Lebens spät überraschen kann: In „Heimat des Schnees“ sieht die brasilianische Matriarchin Dona Sona Rosner Silvera mit hundert Jahren zum ersten Mal Schnee. Ein zarter Hoffnungsschimmer angesichts der Weltlage ist die „Czernowitzer Gastfreundschaft“ über einen jüdischen Friedhof, auf dem im Ersten Weltkrieg muslimische Infanteristen vom Rabbiner aufgenommenen worden sein sollen. Ein alter Mann habe ihm diese Geschichte erzählt, schreibt Ransmayr. Er hat die Gräber dann zwar nicht gefunden – vielleicht ist die Geschichte aber gerade deshalb umso hoffnungsstärker, unabhängig von ihrem faktischen Gehalt. Hoffen wir eben, dass sie stimmt.
Tröstlich ist dann auch, dass selbst einem erfahrenen Weltreisenden wie Ransmayr Banales passiert. An einer Stelle erzählt er von am Strand verlorenen Autoschlüsseln. In seiner Sprache wird sogar das zum Abenteuer.
Und man muss sagen: „Egal wohin, Baby“ ist ein guter Titel für so etwas wie „Lebensfragmente“.

Christoph Ransmayr:
„Egal wohin, Baby“. S. Fischer.
256 Seiten.
29,50 Euro