Catalin Dorian Florescu über 100 Jahre in Bukarest
Catalin Dorian Florescu (Foto oben) ist ein wunderbarer Geschichtenerfinder. Der rumänische (und seit 1982 in Zürich lebende) Nachkomme von Scheherazade.
Seinen Märchen gelingt – in „Der Mann, der das Glück bringt“ (2016) – die Verbindung zwischen einem frierenden Zeitungsverkäufer zu Silvester 1898 in New York und einem Riesen im Donaudelta, der beobachtet, wie lange Graureiher auf einem Bein stehen können; eine Leprainsel kommt auch vor.
In „Jacob beschließt zu lieben“ (2010) verfolgt Florescu eine Familie über 300 Jahre. Im aktuellen Roman begnügt er sich mit rund 100 und ist weniger märchenhaft. Geht ja nicht anders, denn kommunistische Lager spielen eine Rolle.
Aber erzählt wird wieder von vielen Menschen – in fünf Generationen, und alle, alle bekommen vom Autor ein Gesicht, das ist keine Selbstverständlichkeit, und ein eigenes Leben.
Brände werden gelöscht, denn die Familie Stoica ist eine Feuerwehrfamilie. Nur der Jüngste schlägt aus der Reihe: Victor wird, vom Freund als „Volksfeind“ verraten, nach jahrelanger Haft Arbeit in einer Zündholzfabrik finden. Zündhölzer sind wertvoll: Wenn es keinen Sprit für die Feuerzeuge der Kettenraucher gibt ...
Zur Beobachtung
Im Mittelpunkt steht Bukarest, beginnend zu einer Zeit, als das Durcheinander herrschte: Es lebe der König! Nein, der König ist zu deutsch! Weg mit Österreich-Ungarn! Her mit den Franzosen! Her mit Russland!
Und „Der Feuerturm“ ragt im Mittelpunkt heraus: Mit 42 m war er, im Jahr 1892 gebaut, das höchste Gebäude der Stadt: Beobachtungsturm für die Feuerwache. Später verschwanden Schläuche und Pumpen. Es zogen Hühner ein und ein Messerschleifer. Familie Stoica lebte immer beim und mit dem Turm.
Bis zum Sturz von Ceauşescu 1989. Victor war es erstmals gelungen, Sauerkraut für seine Familie aufzutreiben. Nun interessierte sich niemand dafür.
Florescu - er war Psychotherapeut für Drogenkranke - überrascht diesmal nicht mit Neuem. Er verändert Altbewährtes und macht es ähnlich wie der Schauspieler Robert Mitchum, dessen Kunst darin bestand, Kollegen an die Wand zu spielen, indem er die Augenbrauen entweder 1 mm oder 2 mm in die Höhe zog, links und rechts, großartig.
Catalin Dorian Florescu: „Der
Feuerturm“
Verlag C.H.Beck
358 Seiten.
25,95 Euro
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern
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