Rivka Galchen: Aufgrund von Gerüchten als Hexe verfolgt

Da war diese Frau aus Sindelfingen, sie war nicht mehr ganz jung und hielt es für unter ihrer Würde, sich gegen Anschuldigungen, sie sei eine Hexe, zu wehren. Jene, die so etwas behaupteten, seien Lügnerinnen, überhaupt sei die Sache einfach lächerlich. Der Kopf der Frau wurde bald am Stadtrand auf einen Spieß gesteckt, Kinder bewarfen ihn mit Steinen.
Katharina, die Mutter des Astronomen Johannes Kepler, hatte von der Unglücklichen gehört. Auch von anderen Frauen, die in umliegenden Orten hingerichtet wurden. Wenn sie Glück hatten, wurden sie geköpft, bevor sie auf den Scheiterhaufen kamen. Ihr Verbrechen war es, selbst denkende Frauen zu sein, die, wie Katharina, durch Gerüchte und unglückliche Zufälle in jemandes Visier gerieten. Katharina Kepler war allein schon durch die Thesen ihres Sohnes zum heliozentrischen Weltbild verdächtig geworden.
Rivka Galchen hat Literatur und Medizin studiert und legt mit diesem Buch über Hexenverfolgung ihren zweiten Roman vor. Dass sie sich mit Naturwissenschaft auskennt, merkt man. Ihre Heldin weiß jedem Wehwehchen mit Pflanzen beizukommen – was aber nicht der Grund ist, warum ihr der Prozess gemacht wird. „Jeder weiß, dass deine Mutter eine Hexe ist“ beruht auf wahren Begebenheiten. Galchen gelingt es, sich sprachlich in die Zeit (1615–21) einzufinden. Man lebt das erschütternde Unrecht, das ihrer Heldin widerfährt, lesend mit.

Rivka Galchen:
„Jeder weiß, dass deine
Mutter, eine Hexe ist“. Rowohlt.
316 S. 24,70€