Bei Jan Faktor sind die Überschriften „wurschtegal“

Bei Jan Faktor sind die Überschriften „wurschtegal“
"Trottel" heißt der stark autobiografische Roman. Für den Autor hat ein Trottel etwas Nettes

Die vielen Fußnoten, oft sind es drei pro Seite, kann man / soll man / muss man übersehen. „Oben“ reicht völlig.

„Oben“ findet das Ereignis statt: Feldforschung eines Trottels, wie Jan Faktor (Foto oben ) seinen „Helden“ nennt – zärtlich macht er das, Trottel haben – für ihn – etwas Nettes, sie genügen halt den Anforderungen der wankenden Welt nicht. DIESER Welt:

Geboren in Prag und ein 17 Jahre alter Jungtrottel, als der Prager Frühling niedergeschlagen wird; 1978 in die DDR gewechselt, nach Ostberlin, wo er als Schlosser und als Kindergärtner Arbeit findet und in der freien Zeit am Prenzlauer Berg, dem Fluchtort für Künstler und Unangepasste, untertaucht ...

Mit dem Porträt dieses Mannes meint sich Jan Faktor selbst, meistens zumindest: Der Roman des tschechisch-deutschen Schriftstellers ist stark autobiografisch.

Der heute 70-Jährige schüttet die Trauer über seinen toten Sohn mit viel Komik zu – aber so schelmisch kann „Trottel“ gar nicht sein: Das Drama bricht immer wieder durch, und das tut dann noch mehr weh, weil es bedeutet, dass es kein Drüberschwindeln geben kann.

Unbespuckt

Jan Faktor erfindet Wörter. Das fordert die Leser zusätzlich. „Ekelabfederung“ ist so ein Wort.

Jan Faktor erdenkt Bilder, die man erstmals zu sehen bekommt, etwa: „Er war lange Zeit ein fast unbespucktes Blatt, heute ist er reichlich besabbert, aber glücklich.“

Das Kapitel „Mein Gaskrieg“ endet mit der Entschuldigung, dass jetzt gar nicht von Gas die Rede war. Das ist noch schlimmer als eine TV-Kolumne, in der es nicht ums Fernsehen geht. Aber langweilig ist das nie und nimmer.

Es gibt auch ein Kapitel mit dem Titel „Überschrift wurschtegal, sie wird in Kürze sowieso wieder vergessen“. So geht das zappelig bis zum nahenden Ende der DDR weiter: als plötzlich ein bis zu diesem Zeitpunkt unbekanntes Salatgemüse im Supermarkt lag: Chicorée war tröstend.

„Trottel“ ist Faktors zweites Buch, das bis ins Finale um den Deutschen Buchpreis kam. 2010 war es „Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des Heiligen Hodensack-Bimbams von Prag“, und auch mit diesem traurigen Buch hatte der Autor versucht, durchs Aufschreiben von Erlebtem so etwas Ähnliches wie Erlösung zu finden.


Jan Faktor:
„Trottel“
Kiepenheuer & Witsch.
400 Seiten.
25,50 Euro

KURIER-Wertung: ****

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