Anna Baar und ihr "unmögliches" Buch

Anna Baar und ihr "unmögliches" Buch
Das Erfundene ist nicht harmlos: Im Roman "Nil" will eine Autorin nicht Gott spielen und ihre Figuren am Leben lassen

„Mir ist noch kein unmöglicheres Buch passiert“, sagt Anna Baar (Foto oben) – geboren in Zagreb, aufgewachsen in Klagenfurt und Wien.

„Gerade deshalb ist ,Nil’ mein Liebkind, unter allen Versuchen, einen Roman zu schreiben.“

VERSUCH ist gut: Anna Baar trat ab 2015 mit den Roman „Die Farbe des Granatapfels“ und „Als ob sie träumend gingen“ in Erscheinung – mit Krieg, Heimat, Zerrissenheit. Dafür gab es mehrere Auszeichnungen und gute Plätze in diversen Bestsellerlisten.

„Nil“ ist anders.

Es gibt viele Bücher, in denen das Verhältnis zwischen Realität und Fiktion thematisiert wird. Aber in dieser kompromisslosen Form nicht.

„Hochliterarisch“ heißt es in der Verlagswerbung, wenn Gefahr besteht, dass man nicht mitgenommen wird, dass man verwundert vor dem Kunstwerk sitzt und lieber nichts sagt.

Jähes Ende

Bei „Nil“ aber sagt man: Schön ist das. Schön ist Baars Sprache, schön ist die Idee, schön ist es, wenn man sich völlig darauf einlassen muss und langsam besser versteht.

Eine Geschichtenerfinderin hat das Problem, dass ihre jüngste Fortsetzungsgeschichte, abgedruckt in einer Zeitung, nicht gut ankommt. Der Chefredakteur wünscht deshalb in der nächsten Folge ein jähes Ende. Es ist eine Liebesgeschichte.

Aber man kann nicht so tun, als sei das Erfundene harmlos.

Anna Baar grübelt: Der Schreiber ist, was er schreibt. Weil nichts aus einem Autor kommen kann, was nicht in ihm geschlummert hat.

Der Schreiber ist manchmal Narr, manchmal Hund, sogar Gott – soll er Mörder auch noch werden?

Kurzes Innehalten.

So geht das Gedankenspiel weiter: Die Personen, von der die Geschichtenerfinderin erzählt, das sind doch ihre Freunde geworden; die wurden zu ihrem zweiten Ich. Man wächst zusammen.

Soll sie ihr Liebespaar jetzt in einem Steinbruch in den Abgrund springen lassen, damit der Chefredakteur zufrieden ist? Dann stürzt sie sich doch eigentlich selbst ... Denn am Ende trifft alles zu, auch das Ausgedachte. Etwas später halt. Denn der Schreiber hält die Zukunft fest.

„Unmögliche“ Bücher sind selten geworden. Ganz behutsam muss man umblättern.

Anna Baar:
„Nil“
Wallstein
Verlag.
150 Seiten.
20,60 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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