Als Überraschungsgäste kommen Janis Joplin und David Bowie

Als Überraschungsgäste kommen Janis Joplin und David Bowie
David Mitchells „Utopia Avenue“ ist eine Party Ende der 1960er Jahre mit viel Musik

Das ist Musik.

Rockbluesfolk. Psychedelischer Jazz oder so.

Am Schlagzeug Wuschelkopf Griff. Die Narbe auf der Wange stammt von einer Bierflasche, die ein Konzertbesucher geworfen hat.

Dean am knackigen Bass. Oft fühlt er sich als der Größte. Genauso oft fragt er sich, warum er weit davon entfernt ist, der Größte zu sein.

Wolkenatlas

Jasper van Zoet ist der Sologitarrist und tatsächlich genial. Aber auch schizophren. Er hört ständiges Klopfen. Fingerknöchel an einer Holztür.

Elf spielt Klavier, sofern nicht darauf vergessen wurde, ein Klavier auf die Bühne zu stellen: Elf, feengleich. sorgt für bisschen Folk.

Sie singen, sie komponieren, sie sind „Utopia Avenue“. Eine britische Band, die man nicht zu googeln braucht – es gibt sie nicht.

David Mitchell (Bild oben) hat sie erfunden. Der britische Erzähler, der perfekt übers Scheitern schreibt: „Der Wolkenatlas“ „Die Knochenuhren“ ...

Sein Roman „Utopia Avenue“ ist eine Party, sehr unterhaltsam, mit Joints und teurem Alkohol und Bungalows, in die man sich zu zweit zurückziehen kann – es gibt Begegnungen, die weh tun und solche, die Freude bereiten ... am Ende denkt man: Es war toll, eingeladen worden zu sein. Aber es reicht, nächstes Mal bleiben wir daheim.

Gegen Sandie Shaw

„Utopia Avenue“ zeichnet Aufstieg und Ende der Musikgruppe nach. Das erste Konzert. Der erste Plattenvertrag. Die erste LP. Erfolgreiche Tournee in Amerika. 8.000 Zuhörer.

Mitchell geht es nicht darum zu zeigen: So kann’s kommen, wenn man Applaus als Droge braucht.

Sondern er sagt: Macht doch nichts, danke für die Energie, die Musik neu zu erfinden – Ende der 1960er-Jahre im Wettbewerb mit Liedern, die im BBC-Radio rauf und runter gespielt wurden wie „Puppet on a string“ von Sandie Shaw,

Echte Stars

Die Band „Utopia Avenue“ kam nicht bis zu den Sternen. Sie haben keinen Mist produziert. Es war der Schuss eines Räubers, der alles zerstörte.

Viele echte Stars spielen bei dieser Party mit, und es ist meist mehr als nur Auftritt und Abgang. David Bowie ist nur auf einen Sprung gekommen, aber Janis Joplin singt, Maler Francis Bacon spendiert Cháteau Latour und Austern.

Brian Jones von den Stones unterhält sich mit Gitarrist Jasper über Stimmen im Kopf. Leonard Cohen wird gebeten, den Unterschied zwischen Melancholie und Depression zu erklären ...

Wenn’s zu glatt läuft im Roman, dann unterbricht David Mitchell den Erzählfluss mit einem belanglosen Satz. Etwa: Die Kuckucksuhr ruft Kuckuck. Oder: Auf der Straße rattert ein Motorrad vorbei.

Das Uninteressante ist ein derartiger Schock, dass die Aufmerksamkeit sofort wieder hochfährt.

Die Party – ein Lichterfest für die Musik. Schlagzeuger Griff bringt’s auf den Punkt: „Sex kann mit Musik einfach nicht mithalten.“

David
Mitchell:

„Utopia Avenue“
Übersetzt von
Volker Oldenburg.
Rowohlt Verlag.
752 Seiten.
26,95 Euro
Erscheint am 19. Juli

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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