Adèle Rosenfeld: Über die Stimmen, die die Stille ruft

Adèle Rosenfeld: Über die Stimmen, die die Stille ruft
Adèle Rosenfelds Roman über Louise, die bei gutem Licht besser hört

Die junge Louise ist schwerhörig, muss von Lippen und Gesten ablesen. Das wird mühsamer, denn Louises Hörfähigkeit schwindet. Ihre Kräfte zerschellen an Missverständnissen.

Gespräche gleichen dem Zusammensetzen eines Puzzles. Ermüden. Lassen sie abdriften in eine imaginäre Welt. Während die echte Welt für Louise stiller wird, wird es in ihrem Kopf lauter. In der Realität arbeitet die junge Frau in der Stadtverwaltung, wurde gerade versetzt. Ins Untergeschoß, wo sie 783.954 Sterbeurkunden von Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg digitalisieren soll. Nach so einem Arbeitstag begrüßt ihre Freundin sie scherzend mit „du riechst irgendwie muffig“. Der Geruch des Untergeschoßes? „Ich glaube eher, ich stank nach Einsamkeit“, denkt Louise, die sich in ihrem Paralleluniversum einigelt.

Adèle Rosenfeld: Über die Stimmen, die die Stille ruft

Adèle Rosenfeld:
„Quallen haben keine Ohren“.
Ü.: Nicola Denis. Suhrkamp.
221 S. 23,70 €

Ein Wiederandocken an die reale Welt verspricht das Einsetzen eines Implantats. Doch dadurch würde sie das letzte natürliche Gehör verlieren, müsste neu hören lernen. Eine Entscheidung so schwer, dass sie entsetzliche Müdigkeit überkommt. Oder wie es Louise formuliert: „Ich sehnte mich auf den Gipfel des Himalayas, allein, mit einer Dose Thunfisch.“ Adèle Rosenfeld (*1986) erzählt mit Feingefühl und Humor, der Debütroman der Pariserin wurde mit dem Prix Fénéon 2022 ausgezeichnet.