"Brüderlein fein": Das Leben eines toll wütenden Rappelkopfs

Raimund mit Ariel und Angebeteter: Anna Rieser, Johannes Krisch
Felix Mitterer hat das Leben von Ferdinand Raimund zu einem Stück verdichtet. Johannes Krisch brilliert in Gutenstein.

Gutenstein dürfte aus den Ereignissen im August 1836 gelernt haben, als ein Hund, wie auf der Website der Marktgemeinde zu lesen ist, mehrere Personen, darunter Ferdinand Raimund, angefallen hatte und daher getötet wurde. Denn rund um das Gelände, auf dem die Raimundspiele stattfinden, steht groß auf Tafeln geschrieben: „Hier gilt die Leinenpflicht! Dieser Park ist keine Freilaufzone!“

Anderen Darstellungen zufolge sei der umjubelte Volksschauspieler und Dramatiker von seinem eigenen Hund gebissen worden. Was nach der Uraufführung von „Brüderlein fein“ eher unglaubwürdig erscheint: Die wuschelige Handpuppe namens Ariel, die Johannes Krisch als Ferdinand Raimund wiegt, ist ein recht niedliches Schoßhündchen.

„Und sag’ der Welt ade“

Felix Mitterer, der von Prinzipalin Andrea Eckert 2017 den Auftrag erhalten hatte, das Leben Raimunds auf einen Abend zu verdichten, klärt die Frage nicht. Und er lässt seinen verzweifelten Raimund auch nicht elendiglich krepieren. Bekanntlich hegte der Hypochonder die Befürchtung, dass der Hund, von dem er gebissen wurde, tollwütig sein könnte. Er reiste daher nach Wien, um seine Ärzte zu konsultieren. Aber bereits in Pottenstein jagte er sich eine Kugel in den Kopf. Derart ungeschickt, dass er erst sechs Tage später starb.

Bei Mitterer singt Krisch, begleitet von Tommy Hojsa an der Ziehharmonika, zum Schluss mit viel Gefühl bloß das Hobellied: „Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub (...) dann leg’ ich meinen Hobel hin und sag’ der Welt ade.“

Auch wenn Raimund nur 46 Jahre alt wurde: Dessen Leben ab der Lehrlingszeit (in einer Bäckerei) mehr oder weniger chronologisch nachzuerzählen, ist kaum möglich. Wahrscheinlich wäre es sinnvoller gewesen, sich auf eine entscheidende Episode zu konzentrieren: Wie Raimund richtiggehend gezwungen wurde, seine Kollegin Luise Gleich zu heiraten.

Denn Fürst Kaunitz, der Mädchen sonder Zahl kaufte, um sie zu entjungfern, wollte ihm das Kind unterschieben, das er mit ihr gezeugt hatte. Diese Szenen – vor der Pause – gelingen Mitterer exzellent. Und sie gelingen dem Team rund um Regisseurin Nicole Claudia Weber im allzu braven Bühnenbild samt grellen Biedermeier-Kostümen von Vanessa Achilles-Broutin.

Aber auch als Nummernrevue eines turbulenten wie tragischen Lebens funktioniert der kurzweilige Abend. Weil Johannes Krisch – neben Edouard Wildner (Kaunitz) und Anna Rieser (Antonie) – brilliert: als eigensinniger, toll wütender Rappelkopf, der sich im richtigen Altwiener Dialekt in den Wahn steigert. Der Jubel gebührte ihm.

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