Brüder im Geiste
Er war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts: Stefan Zweig, 1881 geboren in Wien, lange wohnhaft in Salzburg, 1942 durch eigene Hand aus dem Leben geschieden in Petrópolis nahe Rio de Janeiro im brasilianischen Exil. Seine Biografien und Romane erzielten Millionenauflagen, Zehntausende besuchten seine Lesungen. Als er starb, meldete das die New York Times auf ihrer Titelseite.
In den USA ein Star
Nur in seiner alten Heimat leuchtet sein Stern bis heute eher matt. "Während in den USA mit neuen Filmen und Büchern gerade eine erstaunliche Wiederentdeckung Stefan Zweigs stattfindet, kann man sich in der Stadt Salzburg noch immer nicht dazu durchringen, eine Straße, einen Platz oder wenigstens eine Brücke nach ihm zu benennen," klagt Klemens Renoldner, Leiter des vor acht Jahren geschaffenen Stefan-Zweig-Centre.
Der Schriftsteller, der vor 80 Jahren ins Exil gedrängt worden war, könnte trotzdem schon bald wieder auf den heimischen Bestseller-Listen landen. Seine Texte, etwa über "Die Welt von Gestern", sind jedenfalls alles andere als verstaubt. Außerdem ist Zweig soeben im Kino angekommen: Mit "Vor der Morgenröte", einem so ruhigen wie spannenden filmischen Mosaikstück, das die Exiljahre des Literaten beleuchtet.
5 Episoden aus dem Exil
Fünf Schlaglichter auf Zweigs letzte Lebensstationen – von Rio über Buenos Aires, Bahia, New York bis zum Auswanderer-Paradies Petrópolis – zeigen einen Mann, der seinen Weltruhm genießt, aber gleichzeitig immer mehr an der Welt verzweifelt. Barbara Sukowa und Aenne Schwarz verkörpern Zweigs Ehefrauen, Regie führte Maria Schrader.
Wie passt da Kabarettist Josef Hader dazu, die Paradebesetzung für tragikomische Provinz-Figuren? Ausgesprochen gut. Mehr noch. Hader wirkt in seiner Rolle als Weltbürger glücklich wie nie zuvor. Etwa in jener Szene, in der er in einer Zuckerrohrplantage die Welt um sich herum zu vergessen scheint. Seine Entscheidung, an diesem Film mitzuwirken, fiel übrigens vor allem deshalb, weil er dergleichen noch nie zuvor gemacht hatte ...
"Vor der Morgenröte" ist Erfolg zu wünschen, ein Ende des Zweig-Revivals nicht abzusehen. Im Februar 2017 wird seines 75. Todestages gedacht. Und schon jetzt ist klar, dass spätestens dann erneut an das Genie dieses so österreichischen Autoren erinnert werden wird.
Hader über Zweig
Josef Hader, zuletzt spielten Sie schwierige Polizisten in Graz und im Mühlviertel. Und jetzt einen Literaten mit Weitblick und Weltschmerz. Wie das?
Maria Schrader, die Regisseurin, hat mir diese Rolle angeboten. Dann hab ich kurz überlegt, was ich zu verlieren hab. Und dann angenommen.
Wenn man Sie von der Bühne und aus Ihren Filmrollen kennt, kommt man nicht auf die Idee, dass Sie einen glaubhaften Stefan Zweig darstellen können.
Am meisten Angst habe ich vor der Sprache gehabt. Und dann hab ich eine Aufnahme von ihm gehört, und war erleichtert, weil er diesen bürgerlichen Wiener Dialekt gesprochen hat, der heute noch in bestimmten sogenannten besseren Bezirken gesprochen wird. Bei uns am Bauernhof waren immer ein paar bürgerliche Sommergäste aus Wien, das hat man dann von Kindheit an im Ohr.
„Vor der Morgenröte“ behandelt die Exiljahre von Stefan Zweig. Der Film spielt in Buenos Aires, Rio, im Dschungel, in New York. Waren die Dreharbeiten eine willkommene Abwechslung für Sie?
Wie ich das Drehbuch gelesen hab, hab ich mir gedacht: na serwas, das komme ich ja weit herum. Aber es ist halt so, dass man dort drehen muss, wo der Film finanziert wird. New York wurde deswegen in Halle an der Saale gedreht und Buenos Aires entstand in einem Palais in Berlin. Aber für Brasilien waren wir immerhin auf Sao Tome.
Und Sie sind in einem Film erstmals auf Französisch zu hören. Ein Debüt?
Ja. Das ist für mich eine echte Fremdsprache, weil ich war auf dem humanistischen Gymnasium, da lernt man statt dessen Altgriechisch. Da versucht man sich dann so zu trainieren wie ein Zirkuspferd. Die Anfangsszene dauert sieben Minuten in einer Einstellung, und ganz am Schluss komm dann ich als Zweig und musste eine Rede auf Französisch halten. Das war ein bissl so ein Stress wie seinerzeit in der Schule.
Wie viele Takes haben Sie für diese Szene gebraucht?
Ich war immer richtig. Ich hab so viel Angst vor dieser Szene gehabt, dass ich die Rede schon wochenlang zuvor einstudiert habe. Angst kann schon eine große Hilfe sein.
In einer anderen Szene stehen Sie inmitten eines Zuckerrohrfeldes und wirken rundum glücklich, so als wären Sie zuhause angekommen. Hat Sie das Zuckerrohr etwa an den Kukuruz erinnert?
Stefan Zweig war unglaublikch begeistert von Brasilien. Diese Begeisterung musste man in ein paar kurzen Momenten vermitteln. Ich weiß nicht, ob er auch so begeistert durchs Zuckerrohr gelaufen ist wie ich. Aber aus seinen Briefen kommt heraus, was für eine ungeheure Sensation es für ihn war, dass in Brasilien Menschen unterschiedlicher Hautfarbe in Frieden zusammenleben. Das kann man verstehen, wenn mam bedebkt, was zur selben Zeit in Deutschland passiert ist.
Klemens Renoldner vom Stefan-Zweig-Center in Salzburg, der in „Vor der Morgenröte“ auch in einer Szene zu sehen ist, spricht von einer Zweig-Renaissance.
Ich glaube, Stefan Zweig wird mit den Jahren wieder moderner, weil die Erzählkunst heutzutage wieder mehr Stellenwert hat. Das war in der Nachkriegszeit lange nicht so. Da konnte und wollte man in der deutschsprachigen Literaur nicht lustvoll erzählen. Heute ist das anders.
Andere Frage: Sie gehen ja jetzt selber unter die Regisseure. Wann sehen wir Ihren Film im Kino?
Ich bin gerade beim Schneiden. Ich habe eh lange gebraucht dazu, ich arbeit schon seit drei Jahren immer wieder an dem Projekt. Wenn man das selber alles macht – Drehbuch, Regie und dann noch die Hauptrolle – dann merkt man, wie hoch bezahlt man als Schauspieler ist. Weil man viel mehr arbeiten muss für weniger Geld. Aber es hat mir großen Spaß gemacht. Es war sehr faszinierend, auf einmal einen neuen Beruf auszuprobieren. Der Kinostart ist für Februar 2017 geplant.
Wo haben Sie sich das Rüstzeug für die Regiearbeit geholt, am Set von anderen Filmen?
Wolfgang Murnberger hat mich bei den Brenner-Filmen immer sehr stark einbezogen. Da habe ich Lust darauf bekommen, eimal zu schauen, was herauskommt, wenn ich ein Orginal - Drehbuch schreibe und auch noch selber verfilme. Von ihm hab ich wirklich viel gelernt, am allermeisten die Entspanntheit, die er am Set verströmt.
Worum geht es in diesem Film?
„Wilde Maus“ ist eine Tragikomödie, die von einem Mann handelt, der seine Arbeit verliert. Er ist zu feig, es zuhause zu erzählen. Stattdessen geht er untertags in den Prater und renoviert mit einem alten Schuldfreund eine Achterbahn. Und in der Nacht fährt er immer zur Villa seines ehemaligen Chefs und macht kleine, kindische Terrorakte. Auf die Art theatert er sich in eine gnadenlose Abwärtsspirale hinein.
Wann wird man Sie wieder auf einer Kabarettbühne sehen?
Immer wieder ein bissl. Im Juni trete ich mit „Hader spielt Hader“ in Wien im Orpheum und ein paar Mal im Stadtsaal auf. Im September mache ich einen Abend mit drei jungen Kollegen und Kolleginnen. Die junge Szene ist zur Zeit sehr interessant.
Und ein neues Programm?
Wenn der Film „Wilde Maus“ so richtig abgeschlossen ist, ist der Kopf wieder frei für was Neues. Wenn ich an einem Projekt arbeite, bin ich immer so drinnen, da kann ich daneben nichts anderes machen. Aber jetzt setze ich mich bald mit zwei Schreibbüchern in ein Kaffeehaus – eines für den Film, das andere für ein Kabarettprogramm - und schau, in welches ich mehr reinschreibe.
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