Box Office: Hollywood steckt in der Krise
Krise überall, aber in Hollywood? Von wegen - möchte man denken: Allein drei der zehn an den Kinokassen erfolgreichsten Filme aller Zeiten stammen aus diesem Jahr. Zuletzt sorgte der finale Akt im Potter-Universum für Furore: Der Film spielte trotz des sperrigen Titels "Harry Potter and The Deathly Hallows, Part 2" weltweit mehr als 1,2 Mrd. US-Dollar ein. Im kalifornischen Burbank dürfen sich die Studio-Bosse von Warner Bros. die Hände reiben: Der Sommer-Hit avancierte laut dem einschlägigen Online-Portal "Box Office Mojo" zum dritterfolgreichsten Film aller Zeiten.
Davor nur James Cameron, geschlagen von: James Cameron. Sein 3D-Epos "Avatar" überflügelte im Vorjahr seinen finanziellen Meilenstein aus den 1990ern, "Titanic" - bis dahin Rekordhalter. Der kanadische Regisseur und Produzent erschafft mit neuester Technik magische Welten und trifft wie kein anderer den globalen Massengeschmack. Kritik an inhaltlichen Schwächen perlt an den nackten Zahlen ab. Überhaupt wird die Top-Ten-Liste (siehe Tabelle) von Fantasy- und Science-Fiction beherrscht, zumeist Fortsetzungen.
Good Old Hollywood is dying...
Die Kinokassen klingeln. Also alles Eitel Wonne? Von wegen. Die Produktionskosten sind gigantisch, der Erfolg muss vorprogrammiert sein, Risiko wird gescheut. "Fluch der Karibik 4" kostete 250 Mio. Dollar und spielte 240 Mio. Dollar in den USA ein. Wirtschaftlich wäre das nicht - zum Glück gibt's Merchandising, Johnny Depp und Kinos außerhalb den USA.
Doch entscheidend für das langfristige Überleben des Systems Hollywood ist, dass man Ideenschmiede bleibt und weiter Millionen von Menschen im Dunkel des Kinosaals verzaubern kann. Denn bei den Filmkritikern fallen diese Fortsetzungen zumeist in Ungnade. Schon 2008 hatte ein Streik der Drehbuchautoren die Arbeit für Monate blockiert, die Auswirkungen sieht man am Kinoprogramm noch heute: Sequels, Prequels und Remakes dominieren das Programm der großen Kinotempel.
Einen Mangel an Ideen orten die, die es wissen müssen. "Wir haben eine Story-Krise", sagte Cameron schon im Jänner. Und Paul Schrader ("Taxi Driver") griff in einem KURIER.at-Interview die Kritik Camerons auf: "Die Technologie schiebt den Film beiseite. Film ist die Kunstform des 20. Jahrhunderts, aber nicht die des 21. Jahrhunderts." Und meinte lapidar: "Hollywood bricht zusammen" (siehe Interview im Hintergrund).
Der Kampf gegen illegale Online-Portale, die aktuelle Blockbuster für Internetnutzer bereitstellen, ist da nur eine weitere Front. Erst im Juni konnten in Deutschland mehrere Millionen Euro nach der kino.to-Razzia beschlagnahmt werden. Ein Etappensieg für die Filmindustrie, mehr nicht.
Weniger bedeutet mehr
Überdeckt wird die Krise davon, dass einige wenige, stark beworbene Filme für das Gros der Einnahmen sorgen. Ausnahmen bestätigen nur die Regel: Dass ein massentauglicher Film auch ohne Budget jenseits der 200 Mio. Dollar auskommen kann, bewies etwa die "Twiglight"-Verfilmung: "New Moon" spielte mit Einnahmen über 700 Mio. Dollar das 14-fache der Produktionskosten ein.
Doch die großen Hollywood-Studios profitieren vor allem von hohen internationalen Einnahmen und höheren Ticketpreisen für 3D-Filme. "Auf diese Weise lässt sich verdecken, dass weniger Leute ins Kino gehen", sieht Schrader den 3D-Hype skeptisch. Fakt ist nämlich: Zwischen 2002 und 2010 sank die Zahl der Kinobesucher in den Vereinigten Staaten fast kontinuierlich, von 1,57 Mrd. auf 1,34 Mrd.
Berücksichtigt man dabei noch die Inflation - derzeit satte 3,6 Prozent in den USA - wäre Victor Flemings Südstaaten-Drama "Vom Winde verweht" die erfolgreichste Produktion aller Zeiten, vor George Lucas "Star Wars". Das Science-Fiction-Epos Avatar würde, vom Inflationswind verweht, nur auf Platz 14 landen (siehe Tabelle unten). Filme aus den vergangenen zehn Jahren sind im Ranking Mangelware. Exakt eine Handvoll findet sich unter den ersten 50.
Einen österreichischen Film sucht man unter den Top 100 (inflationsbereinigt) übrigens vergeblich. Nun gut, "The Sound of Music" liegt auf Platz drei. Und das zählt wohl auch. Irgendwie.
Filmland Österreich
In Europa ist die Zahl der Kinobesucher 2010 um zwei Prozent gesunken. Österreich gehört ebenfalls zu jenen Ländern, in denen Rückgänge zu beklagen waren. So ging die Zahl der verkauften Tickets von 18,4 auf 17,3 Mio. zurück (minus 6 Prozent). Das Bruttoeinspielergebnis blieb mit 130,4 Mio. Euro aber nahezu konstant (nach 130,6 Mio. Euro 2009).
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